Schluß mit cool (German Edition)
besten am Ort – und lehnte sich zurück, um den köstlichen Fahrtwind über sein Gesicht streichen zu lassen.
Er schwitzte. Schwitzte, weil er sich in der dampfenden Schwüle einer tropischen Gegend befand und weil er übergewichtig war, und zwar kraß übergewichtig, denn er schleppte gut zwanzig Kilo zuviel mit sich herum, die allesamt in seiner mächtigen Wampe konzentriert waren. Er hatte auch vor, etwas dagegen zu unternehmen, sobald er wieder in San Francisco war – einem Fitneßclub beitreten, mit dem Joggen anfangen, irgendwas –, jetzt aber war er einfach nur ein großer schwitzender fetter Mann mit bleichen nackten Beinen, die sich wie Stützpfeiler in den Boden des Taxis rammten, und einem Bauch, der bereits die Vorderfront seines am Hals offenen Baumwoll-Viskose-Hemds mit den fröhlich herumhüpfenden blauen und gelben Papageien darauf durchgeschwitzt hatte. Und da war auch der Strand, weiße Wellenbögen, die neben dem Wagen herjagten, samt Palmen und einer Verheißung von Meereskühle, und ehe seine Uhr zehn Minuten weitergetickt hatte, war er im Hotel und bezahlte den Fahrer aus einem Bündel abgegriffener samtweicher Scheine, die ihm irgendwie nicht real vorkamen. Der Fahrer hatte aber kein Problem damit – mit den Banknoten – und nahm auch gerne ein saftiges samtweiches Trinkgeld entgegen, und siebeneinhalb Minuten später saß Lester in einem kühlen gefliesten Speisesaal, der auf der einen Seite zum Meer hin offen war, auf der anderen ging es zum Pool, hatte den Zimmerschlüssel in der Tasche und in der verschwitzten Hand seinen ersten mexikanischen Cocktail.
Diesen Cocktail hatte er mit den vagen Restbeständen seines fast vergessenen Highschool-Spanisch ausgehandelt – juiss naranja, Soda Cluub und einen großen Wodka, mit Eis – hielo , genau, hielo –, und mit einem reichen Repertoire an Gebärdensprache, von dem er gar nicht wußte, daß er darüber verfügte. Was er eigentlich wollte, war ein Greyhound, aber er kannte das spanische Wort für Grapefruit nicht, also war er auf Orangensaft und Wodka ausgewichen, obwohl es auch hier ein gewisses Durcheinander bezüglich der Bedeutung des ehrwürdigen russischen Begriffs für das klare Destillat gegeben hatte, bis er auf die geniale Idee verfallen war, statt dessen eine Marke zu nennen: Smirnoff. Die Kellnerin grinste und nickte, hielt sich dabei in ihrem gestärkten weißen Bauernkleidchen vollkommen aufrecht, wiederholte den Markennamen in einem quietschenden Singsang und zog los, um ihm seinen Drink zu besorgen. Kaum hatte sie ihn vor ihn hingestellt, hatte er ihn natürlich schon zur Hälfte ausgetrunken und orderte sofort den nächsten, und dann den nächsten, so daß er in den ersten zwanzig Minuten Kellnerin und Barkeeper in perfekter Synchronisation auf Trab hielt, um seinen Durst sowie alle sonstigen echten oder eingebildeten Qualen zu besänftigen, die er während der langen Reise erlitten haben mochte.
Nach dem fünften Drink fühlte er sich ansatzweise geborgen, alle Reiseangst löste sich auf im süßen Strom von Alkohol und O-Saft. Er war mit sich selbst sehr zufrieden. Da saß er in einem fremden Land, bestellte seine Cocktails wie ein Einheimischer und überlegte, ob er mal einen Happen essen sollte – vielleicht Nachos mit Guacamole? –, und danach vielleicht ein Spaziergang am Strand und ein Schläfchen vor dem Abendessen. Er schwitzte jetzt auch nicht mehr. Die Kellnerin war für ihn der liebste Mensch auf der Welt, und danach kam gleich der Barkeeper.
Er hatte gerade wieder sein Glas geleert und wollte die Kellnerin herbeiwinken – einen Drink noch, dachte er, und dann vielleicht diese Nachos –, da bemerkte er, daß an dem Tisch ganz hinten an der Veranda jemand saß. Während er aufs Meer hinausgestarrt hatte, war eine Frau ins Restaurant gekommen, und jetzt sah sie ihn über den Tisch hinweg an, nackte Beine, in einem rostroten Bikini und einem losen schwarzen Überwurf. Sie schien um die Dreißig zu sein, schlank, muskulös, straffe Brüste und luftig leichtes Haar, das ihre geröteten Augen und den prallen Bogen ihres Mundes gut zur Geltung brachte. Vor ihr dampfte ein Teller mit irgendwelchem Essen – Fisch, danach sah es aus, die Spezialität des Hauses: paniert, gegrillt, gefüllt, gebacken, gebraten oder sautiert, mit Peperoni, Zwiebeln und Koriander –, und sie trank eine Margarita on the rocks. Er beobachtete sie eine Zeitlang fasziniert – in halb beduselter Faszination –, bis sie mit vollem
Weitere Kostenlose Bücher