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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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mir dann im Multiplexkino einige von Hollywoods ästhetischen Erzeugnissen rein, solange ich es aushielt. Irgendwann war ich sicher, daß der große Dichter zu einem seiner vielen sonstigen Termine weitergereist war, trotz aller zur Schau gestellten Besorgtheit um den Sohn. Und genau das war auch geschehen – er hatte seinen ursprünglichen Flug abgesagt, war geblieben, bis er nicht länger bleiben konnte und in die Maschine um 16.15 Uhr einsteigen mußte. Mit sich nahm er seinen Biographen und das volle Mitgefühl des zutiefst betrübten und untröstlichen Lehrkörpers. Und ich? Ich war wieder niemand. Dachte ich jedenfalls.
    Ich ging auch nicht mehr in Dr. Delpinos Literaturkurs – der Gedanke an ihren stahlblauen anklagenden Blick war mir unerträglich –, und obwohl ich hie und da Victorias Haar in der Strömung des Campus dahinhüpfen sah, wich ich ihr aus. Sie wußte ja, wo ich zu finden war, falls sie etwas von mir wollte, aber das alles war vorbei, das merkte ich – ich war eben doch nicht sein Sohn. Ein paar Wochen später sah ich sie in Gesellschaft eines älteren Studenten, der in einer der Uni-Bands die Keyboards spielte, und ich spürte etwas, ich weiß zwar nicht, was, aber Eifersucht war es nicht. Und dann, am Ende eines einsamen Semesters in einer einsamen Stadt am einsamen hinterletzten Ende des Nirgendwo, wurde die Luft etwas lauer, die ersten gelblichen Grashalme ragten durch den schlabbrigen Schnee empor, und mein Zimmergenosse ging mit mir in Brewskies Kneipe den Frühling feiern.
    Das Mädchen hieß Marlene, aber sie sprach es nicht so aus wie den Namen dieser alten deutschen Schauspielerin, die wahrscheinlich schon tot war, bevor sie geboren wurde, sondern Mar- lenna , stieß die zweite Silbe knapp hervor, so daß es klang, als nannte sie sich Lenny. Ich fand es nett, wie sie beim Lächeln die Goldkronen auf den Backenzähnen herzeigte. Die Band, die ich weiter vorn nicht habe nennen wollen, erklang aus den großen Lautsprechern über der Theke, und man verspürte ein unterschwelliges Gebrodel aus Lärm und Erregung, in das sich die Gerüche nach Faßbier, polnischen Würsten und Salz-Essig-Chips mischten. »Ich kenn dich«, sagte sie. »Du bist doch, äh, Tom McNeils Sohn, stimmt’s?«
    Ich hielt ihrem Blick ohne Probleme stand, blinzelte nicht einmal. Das alles war Schnee von gestern, tot und begraben, wie eine dieser Schlachten im Bürgerkrieg.
    »Richtig«, sagte ich. »Wie bist du nur darauf gekommen?«

Mexiko
    Viel wußte er im Grunde nicht über Mexiko, außer daß er gelegentlich mal Margaritas bestellte und sich vor zwanzig Jahren im Alkoholdunst, aber fest entschlossen, durch die Seiten von Unter dem Vulkan gequält hatte, doch da entstieg er nun bleich und schwerfällig der eleganten Leichtmetallhülle des Flugzeugs, mitten hinein in die feuchtwarme Umarmung von Puerto Escondido. Das alles hier – der glühende Asphalt, der Bogen des Strandes in weiter Ferne, die Hitze, der Duft nach Blumen und Kerosin und die schwache Erinnerung an ein Fischgericht vom Vortag – war Zufall. Ein glücklicher Zufall. Eine Wohltätigkeitslotterie in der Firma – fünf Dollar pro Los zugunsten des Hauses für mißhandelte Frauen, Hauptgewinn eine Reise für zwei in die Perle von Oaxaca. Und die hatte er gewonnen. Um das Gesicht zu wahren und dummen Fragen zuvorzukommen, hatte er allen erzählt, er nehme seine Freundin mit, für zwei Wochen R&R – Ruhe und Romantik. Sogar einen Namen hatte er sich für sie ausgedacht – Yolanda –, und, ja genau, sie sei mütterlicherseits Mexikanerin, vom Vater habe sie die grauen Augen, eine Haut wie poliertes Kupfer, und im Bett sei sie eine Wucht...
    Am Flughafen gab es keinerlei Formalitäten – das hatten sie alles in Mexico City mit einer Reihe ungeduldiger Gesten und unverständlicher Kommandos erledigt –, daher ging er mit seiner Reisetasche schnurstracks durch die schwere Glastür hinaus und schwang sich in das erste Taxi, das er sah. Der Fahrer begrüßte ihn auf englisch und wirbelte eilfertig herum, um mit einem verblichenen rosa Taschentuch ein imaginäres Staubkörnchen vom Sitz zu wischen. Dabei hielt er eine kleine Rede – der Lester nicht ganz folgen konnte, denn der Mann schleuderte jedes Wort einzeln hervor, als wäre es ein straff vernähter Lederball, den es hoch über einen Zaun zu schlagen galt –, ließ sich dann in seinen Sitz sinken und fragte mit dünnerem Stimmchen: »Wohin?« Lester nannte den Namen seines Hotels – des

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