Schluß mit cool (German Edition)
Mund aufblickte, worauf er sich abwandte und über das Wasser hinausstarrte, als würde er einfach nur die Aussicht genießen, ruhig und gefaßt wie jeder andere Tourist.
Vorübergehend verlor er diese Fassung, als ihn die Kellnerin anscheinend fragte, ob er noch einen Drink wolle, doch er ließ den Alkohol in seinen Adern singen und antwortete: »Wieso nicht?« – »¿Porqué no?« Die Kellnerin kicherte und ging davon, wobei ihr zunehmend bewundernswertes Hinterteil in der Mitte des langen weißen Kleides wackelte. Als Lester wieder zu der Frau in der Ecke hinüberblickte, sah sie noch immer in seine Richtung. Er grinste. Sie grinste zurück. Er sah wieder weg und ließ sich Zeit, aber als sein Drink eintraf, warf er etwas Geld auf den Tisch, erhob sich schwerfällig aus seinem Stuhl und wankte durch den Saal.
»Hallo«, sagte er, als er vor der kauenden Frau stand, den Drink mit der rechten Hand gepackt, die Zähne zu einem aufgetauten Lächeln gefletscht. »Ich meine: buenos tardes . Oder noches ?«
Er suchte in ihrer Miene nach einer Reaktion, aber sie starrte ihn nur an.
»Äh, ¿Cómo está Usted? Oder tú. ¿Cómo estás tú? «
»Setz dich einfach, ja?« sagte sie mit einer Stimme, die so amerikanisch klang wie die von Hillary Clinton. »Mach dir’s gemütlich.«
Plötzlich wurde ihm schwindlig. Der Drink in seiner Hand hatte sich irgendwie verdichtet, so daß er sich schwer wie ein Meteorit anfühlte. Er zog einen Stuhl heran und ließ sich krachend nieder. »Ich dachte... ich dachte, du wärst...«
»Ich bin Italienerin«, sagte sie. »Geboren in Buffalo. Aber alle meine vier Großeltern sind aus der Toskana. Daher mein exotisches Latina-Aussehen.« Sie stieß ein kurzes bellendes Lachen aus, spießte ein Stück Fisch mit der Gabel auf und begann heftig zu kauen, dabei musterte sie ihn unentwegt mit Blicken, die ihn an Skalpelle denken ließen.
Er leerte seinen Drink auf einen gewaltigen Zug und äugelte über die Schulter nach der Kellnerin. »Willst du noch einen?« fragte er, obwohl er sah, daß sie ihr erstes Glas erst halb getrunken hatte.
Immer noch kauend, lächelte sie ihm zu. »Klar doch.«
Als die Transaktion erledigt war und die Kellnerin ihnen ihre zwei frischen Drinks serviert hatte, fiel ihm ein, sie nach ihrem Namen zu fragen, aber die Stille hatte schon zu lange gedauert, und als sie beide zugleich zu reden begannen, ließ er ihr den Vortritt. »Und, was machst du so?« fragte sie.
»Biotechnik. Ich arbeite für eine Firma in der East Bay – in Oakland, genauer gesagt.«
Sie runzelte die Stirn. »Wirklich? Geht’s da darum, Kartoffeln zu züchten, die in der Küche herumkugeln und sich selbständig schälen? Um geklonte Schafe? Hunde mit zwei Köpfen?«
Lester lachte. Er fühlte sich gut. Besser als gut. »Nicht ganz.«
»Ich bin Gina«, sagte sie und streckte die Hand aus, »aber vielleicht kennst du mich auch als die Gepardin. Gina ›die Gepardin‹ Caramella.«
Er ergriff ihre Hand, die trocken und klein war und sich fast in seiner verlor. Er war besoffen, herrlich besoffen, und bis jetzt war er weder von der Federales abgelinkt, vom Dünnschiß geplagt, von Malariamücken oder Vampir-Fledermäusen ausgesaugt noch von einem der anderen unzähligen Schrecken heimgesucht worden, vor denen man ihn gewarnt hatte, und das verlieh ihm beinahe das Gefühl von Unverwundbarkeit. »Wie meinst du das? Bist du Schauspielerin?«
Sie lachte knapp. »Schön wär’s.« Sie senkte den Kopf und jagte das letzte Fischstück mit der Gabel und dem linken Zeigefinger über den Teller. »Nein«, sagte sie. »Ich boxe.«
Der Alkohol sickerte langsam ein. Er wollte loslachen, unterdrückte den Impuls aber. »Boxen tust du? Du meinst doch nicht richtiges Boxen , oder? Sprich: Faustkampf? Haken und Schwinger und so?«
»Ja, ja, wie in ›Acht, neun, zehn und aus‹«, sagte sie. Sie nahm einen Schluck von ihrem Drink. Ihre Augen glänzten. »Momentan leck ich mir hier nämlich die Wunden, nach meiner Niederlage vor zwei Wochen im Shrine Auditorium gegen DeeDee DeCarlo, das ist eine der Spitzentussis in der Branche, und mein Manager fand, ich sollte ruhig mal eine Zeitlang ausspannen, verstehst du?«
Er war wie elektrisiert. Eine Boxerin hatte er noch nie getroffen – er wußte nicht mal, daß es so etwas wie Frauenboxen gab. Schlamm-Catchen, okay, das kannte er – und seit dem Tod seiner Frau war er sogar ein echter Fan geworden, jeden Dienstagabend und manchmal auch freitags –, aber
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