Schluss mit der Umerziehung!
davon nicht berührt.
Doch mit meinem Weggang aus München taten sich Abgründe auf: Eine Kollegin, die wichtige Aufgaben innehatte, weigerte sich, Absprachen einzuhalten. Dahinter steckten andere Probleme, die ich selbst versäumt hatte, rechtzeitig anzupacken. Eine alleinerziehende Mutter einfach zu entlassen, kam nicht infrage â nicht nur, weil das rechtlich problematisch gewesen wäre, sondern vor allem, weil ein solches Signal meist hohe Kosten verursacht: Andere Frauen bekommen Angst, verlieren das Vertrauen in Fairness und Partnerschaftlichkeit der Firma (später geschah die Entlassung dann doch â mit sehr negativen Folgen).
Egal, der Konflikt brach auf wie ein Eitergeschwür. In meiner Not entschloss ich mich zu einer hastigen Schnellreaktion: Ich ernannte kurzerhand schriftlich die zwei Frauen zu Leiterinnen, die mir dafür am besten geeignet schienen â letztlich ohne sie selbst vorher einzubeziehen oder die anderen Kolleginnen darauf vorzubereiten. In meiner diffusen Vorstellung ging ich davon aus, dass dieser Leitungstitel nur eine unbedeutende Hilfskonstruktion für einige wichtige Entscheidungen sein sollte, da im Allgemeinen das Team ja partnerschaftlich funktionieren sollte. Es war dies ein schwerer Fall von unzulässiger Konfliktvermeidung meinerseits gegenüber allen Beteiligten. Und es kam, wie es nach meinem heutigen Wissen â und nach allem, was wir über Frauen in Organisationen wissen â kommen musste. Die beiden Kolleginnen, die ich im Alleingang befördert hatte, fühlten sich überrollt, unvorbereitet, waren keineswegs geehrt und hatten darüber hinaus das Gefühl, sie seien von mir gar nicht mit »echter« Autorität ausgestattet worden. Und in der Tat war ich weiterhin der Ansicht, eigentlich sollten vor allem möglichst Teamentscheidungen getroffen werden, im Konsens. Führung oder Leitung sollte eher moderieren und inspirieren, statt selbst zu entscheiden und Anweisungen zu erteilen. Ich bin zwar immer noch und immer mehr dieser Ansicht, aber ich weià inzwischen, dass gerade ein solches Konzept auf vielen Voraussetzungen basiert. Die Beteiligten müssen verstehen, warum ein solches System unter Frauen besser funktioniert â und vor allem, wie in einem solchen Modell Konflikte gelöst und Entscheidungen getroffen werden können, ohne in Endlosschleifen von Debatten alle Energie zu verbrauchen.
Jedoch: Im Prozess des Wachstums einer Frauenorganisation ungeeignete Strukturen zu bauen, Schnellschüsse loszulassen, unhinterfragt auf die inneren Bilder und Organigramme von traditionell geprägten GroÃorganisationen zu setzen, bedeutet letztlich, Bremsklötze zu errichten und positive Dynamiken zu lähmen. Die Angst, andernfalls ineffektiv zu werden, produziert dann selbst erst die Ineffektivität!
Ich hatte dem Team in München mit meiner Spontanaktion also keinen Gefallen getan. Einige der anderen Kolleginnen, bis dahin engagierte, tüchtige, gut gelaunte, hoch motivierte Frauen, die sich durch dick und dünn wechselseitig unterstützt hatten, revoltierten ganz offen gegen diese Entscheidung. Sie waren fassungslos, zumindest gegenüber einer der neuen Leiterinnen, die ich ausgewählt hatte. Warum gerade sie? Warum nicht eine andere?
Es dauerte Jahre bis das Team sich wieder friedlich ordnete, intern gut funktionierte â doch die Spuren der Kränkung blieben. Denn es gilt zu beachten: Frauen sind emotional nachtragend, weil sie so differenzierte emotionale Wahrnehmungen haben und sich insgesamt viel länger und stärker als Männer an negative Erlebnisse erinnern, auch dies liegt im evolutionären Erbe und den Schutzmechanismen von Frauen gegenüber Gefahren begründet. Diese Muster können viele talentierte Frauen nicht am Garderobenhaken ihres Büros abgeben. Es ist eine der vielen Eigenschaften, die untrennbar mit ihren vielen Stärken und ihrer Begeisterungsfähigkeit verbunden sind.
Es geht darum, solche Eigenschaften als gegeben zu respektieren und Organisationen so zu bauen, dass sie diese als normale Reaktionsweisen integrieren. Bei Konflikten gilt es durchzuatmen, Pausen zu machen â und die Regeln guter Konfliktbearbeitung unter Frauen zu kennen. Mit dem Urkonflikt um die Frage der Leitung am Standort München waren also zentrale Fragen aufgeworfen, die sich bis heute stellen, in immer neuen Formen. Sie stellen sich für alle Organisationen,
Weitere Kostenlose Bücher