Schluss mit der Umerziehung!
Alltag eines Betriebs völlig lähmen. Hier gilt es, Regeln zu finden, wie schnell genug entschieden werden kann und wie weit die Ãbereinstimmung getrieben werden muss. Es ist entscheidend, wie viel Vertrauen in die Kompetenz einzelner Personen oder Teams gesetzt wird â die informelle Währung von wechselseitigem Vertrauen und Sachautorität ist gerade unter Frauen wichtig. Ohne sie würden alle Prozesse und Abläufe schwer und zäh werden und die Freude am Neuen erlöschen. Diesen Vertrauensbonus müssen alle genieÃen, die in ihrem Themenfeld mit etwaigen Entscheidungen konfrontiert sind, dafür zu werben, ist Aufgabe des Unternehmens. Denn Entscheidungen anderer Frauen zu akzeptieren, ist für Frauen weit schwieriger zu erlernen als für Männer!
Eine Frauenfirma sollte eine Kultur des »Fehler-sind-wichtig« beherzigen. Wo Angst vor Fehlern herrscht, weil sie zu harscher Kritik oder gar zu Sanktionen führen, ist die Bereitschaft, positiv Verantwortung zu übernehmen und Dinge selbst zu entscheiden, begrenzt. Dies gilt gerade für Frauen, die sich Kritik und Ablehnung sehr zu Herzen nehmen und oft nicht über das oft eher unkritische Selbstbewusstsein vieler Männer verfügen.
Der offene, direkte Konfliktstil ist unter Frauen am wenigstens beliebt, er gilt als männlich, wird unter Männern auch viel mehr angewandt. Die klare, knappe, dominante, auch konfrontative Ansage, der nicht widersprochen wird, kann aber in bestimmten Situationen durchaus auch in einem Frauenunternehmen sehr wichtig sein â beispielsweise bei Vertragsverhandlungen unter Zeitdruck mit einem wichtigen Kunden, der eher unattraktive Bedingungen bietet. Ja oder nein? â Für solche Krisenentscheidungen muss tatsächlich ein Mechanismus geschaffen werden, der es einer Frau ermöglicht, eine Entscheidung zu treffen, die dann auch respektiert und umgesetzt wird. Dies ist jedoch nicht das vorherrschende Modell unter Frauen, wird es zum Habitus, so würgt es Initiative und Motivation ab. Das »Basta«-Modell wird in demokratischen Gesellschaften ohnehin immer weniger konsensfähig, auch unter Männern. Für Frauen besteht die Aufgabe darin, Regeln zu bilden, wann der »Basta«-Modus eingesetzt werden kann, durch wen, wann er wieder hinterfragt werden darf â aber auch: zu gewährleisten, dass nicht die Gerüchteküche eine solche Entscheidung torpediert. Hinter der Frage, ob und wieweit Anweisungen gegeben werden können statt zu diskutieren, steht die groÃe Frage nach der Rolle von Hierarchien und der Definition von Führungsaufgaben in einem modernen Unternehmen. Denn im klassischen Unternehmen ersetzt die Anweisung ja weitgehend die Konfliktbearbeitung.
Frauen praktizieren häufig die Konfliktvermeidung â der gesenkte Blick, das Ausweichen, das Umgehen. Diese Strategie kann für kleinere und nebensächliche Fragen sehr richtig und durchaus eine Lösung sein. Nicht alles muss besprochen, diskutiert, transparent sein. Nicht alles ist wichtig genug für eine Aussprache. Nicht alles, was einer Führungskraft nicht gefällt, muss korrigiert werden â die Grenzen zwischen unergiebigem Mikromanagement und sinnvollen Korrekturen sind flieÃend. Die neue Kollegin schreibt Briefe, die noch sehr holprig sind und im Ton etwas schräg klingen? Ich kann den nächsten Brief mit ihr durchsprechen und mit einer Korrektur leben, die noch nicht ganz dem entspricht, was ich mir wünschen würde. Ich kann den Brief selbst schreiben â oder das Thema zunächst ignorieren. In jedem Fall gibt es Dinge, die als ärgerlich empfunden werden, die es aber nicht wert sind, Diskussionen auszulösen. Ebenso wie in privaten Partnerschaften.
Manchmal ist die Konfliktvermeidung gegenüber Kolleginnen, Vorgesetzten oder anderen Teams jedoch mit indirekter Aggres sion verbunden â mit dem, was als »Kohlenmonoxyd« im Klima eine ganze Organisation vergiften kann. Kritik besteht zwar, wird aber nicht offen formuliert, sondern auf der Toilette, beim Kaffeeautomaten, in der Hotellobby. Nicht alles muss immer an der Oberfläche sein. Aber es ist wichtig, eine Art Alarmsystem gegen das potenziell sehr schädliche Gift von Konfliktvermeidung in Koppelung mit indirekter Aggression zu installieren. In jeder Organisation, gerade unter Frauen, wird im Bienensummen immer mal wieder ein falscher Ton mitschwingen â steigert sich
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