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Schluss mit der Umerziehung!

Schluss mit der Umerziehung!

Titel: Schluss mit der Umerziehung! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela A. Erler
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Zeit wieder 40 Stunden – damit wir in schwierigen Zeiten als Dienstleister konkurrenzfähig sind. Wer weniger arbeitet – das waren früher fast alle, heute sind es nur noch etwa 30 Prozent der Kolleginnen –, bekommt entsprechend weniger Geld. Das Ganze bei totaler Vertrauensarbeitszeit, alle führen ihre Stundenzettel selbst. Überstunden werden nur in Ausnahmefällen bezahlt. Wir betreiben diverse 24 -Stunden-Beratungs-Hotlines und Betreuungsangebote, die gelegentlich auch am Wochenende funktionieren müssen. Wie auch in anderen Firmen ist bei uns oft der Druck im Kessel hoch, die Ventile pfeifen, immer ist irgendwo zu wenig Arbeitskraft vorhanden. Unsere äußeren Rahmenbedingungen sind nicht besonders komfortabel, jedenfalls nicht finanziell. Vielen wird vieles zu viel. Immer stellt sich die Frage, was wie besser organisiert und optimiert werden kann. Und dennoch bleibt der Druck stets hoch.
    Was heißt unter diesen Umständen Work-Life-Balance?
    Vorweg möchte ich ein Missverständnis ausräumen: Work-Life-Balance ist nicht nur ein Thema der Arbeitszeit. Schon vor zwanzig Jahren hatte meine Kollegin und Freundin Ellen Galinsky in ihrer ersten bahnbrechenden Studie 13 aufgezeigt, dass eine gewisse Autonomie am Arbeitsplatz, also Entscheidungsfreiheit und respektvolle Vorgesetzte, entscheidende Variablen dafür sind, wie viel Work-Life-Balance eine Person empfindet. Wo die Kultur respektvoll ist, können Menschen mehr arbeiten, ohne sich ausgelaugt zu fühlen. Ein solches Klima der Wertschätzung puffert Belastung ab; wo sie fehlt, ist die gefühlte Belastung umso höher. Ein hoher Krankenstand ist fast immer mit einem Wertschätzungsproblem verbunden.
    Es ist kein Zufall, dass wir in vielen Standorten unseren Mitarbeiterinnen ein bezahltes Mittagessen anbieten und gemeinsam essen – das führt zu entspannten kleinen Begegnungen, sorgt dafür, dass die ewig auf Diät bedachten Kolleginnen etwas Vernünftiges zu sich nehmen und so auch am Nachmittag genügend Energie in ihrem Kopf haben. Es drückt aber auch unsere Wertschätzung für die eigenen Kolleginnen aus; dazu gehört auch, dass bei Sitzungen geschnittenes Obst oder Gemüse angeboten wird und an vielen Orten schöne Espressomaschinen stehen, lauter Elemente, die gemeinhin nicht gerade Bestandteile einer Unternehmenskultur mit eher niedrigen Gehältern sind. Bei vielen Firmen sind solche kleinen Gesten allenfalls externen Besuchern vorbehalten, auch und gerade bei großen Firmen mit hohen Gewinnen.
    Solche Gesten der Wertschätzung zahlen sich in einer größeren Arbeitszufriedenheit und einer insgesamt besseren Work-Life-Balance aus. Das ist besonders für diejenigen wichtig, die Verantwortung für Familie haben – als Väter, Mütter, pflegende Angehörige. Bei einer Mitarbeiterbefragung, die wir kürzlich durchgeführt haben, zeigte sich diese Gruppe zufrieden. Die relativ größte Unzufriedenheit scheint bei den alleinstehenden jungen kinderlosen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu bestehen. Dahinter kann sich sowohl verbergen, dass die jungen Singles teilweise die Flexibilität kompensieren müssen, die für Menschen mit Familie bei uns möglich ist; aber vielleicht auch, dass sie selbst oft ein äußerst anspruchsvolles Privatleben führen – komplizierte Liebesbeziehungen mit Partnern an anderen Wohnorten, Trennungsphasen, zeitraubende Hobbys, lange Nächte, weit entfernt wohnende Herkunftsfamilien, und dass der Firmenscheinwerfer diese privaten Bedingungen noch nicht gut genug erfasst. Wir werden dieser Frage noch nachgehen und Antworten suchen.
    Fest aber steht: Die Gruppen, die normalerweise das Thema Work-Life-Balance in Firmen am stärksten als Belastung erleben, haben bei uns damit weniger Probleme.
    Warum ist das so? Ganz einfach und sehr grundsätzlich: Der Respekt vor dem Privatleben inklusive seiner zeitlichen Dimensionen ist fest in unserer DNA verankert. Wir respektieren nicht nur die Vielfalt von Lebensstilen – wie sexuelle Orientierung oder Migrationshintergrund –, wir respektieren auch die Vielfalt von Arbeitsstilen und -mustern. Ein Frauenunternehmen, das nicht bewusst und grundsätzlich Rücksicht nimmt auf private Beziehungen, Leidenschaften und Interessen und auf das Zeitmanagement, das dadurch nötig wird, kann für Frauen gar nicht wirklich funktionieren. Umgekehrt: Ohne diese

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