Schlussblende
ihr die Orientierung zu erschweren, einen Bogen um die M 25 geschlagen und Londons äußere Stadtumgehung benutzt hatte. Shaz hielt das für nicht sehr wahrscheinlich. Er hatte keinen Grund für irgendwelche Täuschungsmanöver, weil er vermutlich davon ausging, daß sie am Ende dieses Tages tot wäre.
Eine Autotür fiel mit sattem Geräusch zu, danach ein leises Klicken und das schwache hydraulische Seufzen, mit dem der Kofferraumdeckel sich hob. »Gott, stinkst du«, sagte Vance angewidert und zerrte sie rücksichtslos nach vorn. »Hör gut zu, ich schneid dir jetzt die Fußfesseln los. Das Messer ist sehr, sehr scharf. Ich verwende es gewöhnlich, wenn ich Fleischfilets zuschneide, wenn du verstehst, was ich damit andeuten will.« Er redete im Flüsterton, sie spürte seinen heißen Atem dicht an ihrem Ohr, was sie fast noch ekelerregender fand als den Uringestank. »Wenn du wegzurennen versuchst, schlitze ich dich auf wie ein Schwein am Schlachterhaken. Hier gibt’s sowieso nichts, wo du Hilfe holen könntest, wir sind mitten in der Einöde.«
Ihre Ohren erzählten ihr etwas anderes. Zu ihrer Verblüffung hörte sie, nicht weit weg, lebhaften Verkehr und im Hintergrund die unverkennbaren, gedämpften Geräusche, die vom Leben in einer Großstadt zeugen. Wenn sich ihr irgendeine Chance bot, so klein sie auch sein mochte, würde sie sie nutzen.
Sie spürte, wie die kalte Messerklinge an ihren Fußknöcheln hochfuhr, dann waren plötzlich ihre Füße auf wundersame Weise frei. Sekundenlang spielte sie mit dem Gedanken, Vance mit beiden Beinen einen kräftigen Tritt zu versetzen und dann loszurennen. Aber da fing das Blut wieder zu zirkulieren an, das anfängliche Kribbeln ging schnell in ein Stechen wie von tausend Nadeln und dann in einen Krampf über. Und als der Schmerz nachließ und sie das Wimmern endlich unterdrücken konnte, war es zu spät. Er hatte sie gepackt, zerrte sie über die Kofferraumkante und riß sie, als sie in sich zusammensackte, grob auf die Füße. Er faßte sie unter den Armen und schleifte sie in eine Art Torweg, wo sie mehrmals mit den Schultern gegen die roh verputzten Wände prallte, dann einen Pfad hinunter und einige Stufen hoch. Als er sie schließlich wie ein Bündel Lumpen fallen ließ, spürte sie unter sich einen Teppichboden.
Ihre Beine fühlten sich immer noch taub an. Wie durch einen Schleier aus Schmerz und Desorientierung hörte sie eine Tür aufgehen und dann das Ratschen von Vorhängen, die zugezogen werden. Seltsamerweise kamen die Geräusche ihr irgendwie vertraut vor. Ihre Angst steigerte sich zur Panik, sie fing unkontrollierbar zu zittern an, und dann entleerte sich zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde unwillkürlich ihre Blase.
»O Gott, was bist du für eine widerliche Schlampe«, fuhr er sie an, zerrte sie abermals hoch und stieß sie auf einen harten Stuhl mit gerader Rückenlehne. Bevor der Schmerz in ihren Oberarmen und Schultern abklingen konnte, spürte sie, daß er wieder anfing, Fesseln um ihre Beine zu schlingen, diesmal so, daß sie wie gebrochene Glieder gegen das harte Holz der Stuhlbeine gedrückt wurden. Das rechte Bein konnte sie schon nicht mehr rühren, aber mit dem linken trat sie zu. Ihr letzter verzweifelter Versuch, sich zu befreien, brachte ihr die kurze Genugtuung, zu spüren, daß sie getroffen hatte, und Vance vor Verblüffung und Schmerz aufschreien zu hören.
Ein Schlag gegen den Unterkiefer schleuderte ihren Kopf zurück, sie hörte es im Nacken knacken und hatte das Gefühl, daß ihr ein scharfes Messer ins Rückgrat fuhr. »Du verdammtes, blödes Miststück«, schrie er sie an, drückte ihr linkes Bein gegen das Stuhlbein und zerrte die Fessel fest.
Sie spürte seine Beine zwischen ihren Knien, was sie quälender empfand als alle Schmerzen, die sie erlitten hatte. Er riß ihre Arme hoch, bog sie nach hinten und hielt sie mit eisernem Griff hinter der Rückenlehne des Stuhls fest. Sie spürte wieder die Messerklinge, hörte, wie sie Stoff aufschlitzte, und dann wurde die Haube weggezogen, unter der ihr Kopf gesteckt hatte. Shaz blinzelte gegen das grelle Licht an, und als sie erkannte, daß die Realität schlimmer war als alles, was sie sich je ausgemalt hatte, verkrampfte sich ihr Magen. Sie saß in ihrem eigenen Wohnzimmer und war auf einem der Eßtischstühle festgebunden, die sie erst vor zehn Tagen gekauft hatte.
Vance stand immer noch zwischen ihren Beinen, fest gegen ihren wehrlosen Körper gepreßt. Bevor er
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