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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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schließlich zurücktrat, zwickte er sie leise schnaufend mit der prothetischen Hand grob in die Brüste.
    Er wetzte die Klinge seines Filettiermessers an der Eßtischkante und starrte Shaz arrogant an. Sie hatte noch nie ein solches Maß an Selbstgerechtigkeit in der Pose und der Miene eines Menschen gesehen. »Du hast mir das Wochenende wahrhaftig gründlich verdorben«, sagte er in belehrendem Ton. »So habe ich mir meinen Samstag abend nicht vorgestellt. Mir hier in deiner beschissenen Wohnung in einem Nest wie Leeds diese grünen Chirurgen-Ärmelschoner und Latexhandschuhe anzuziehen ist bei Gott nicht das, was ich mir unter einem vergnüglichen Abend vorstelle.« Er schüttelte mißbilligend den Kopf. »Dafür wirst du bezahlen, Detective Bowman. Es wird dir noch leid tun, daß du so ein verdammtes Miststück warst.«
    Er legte das Messer weg, zog einen Brustbeutel unter seinem T-Shirt hervor, öffnete den Reißverschluß und nahm eine CD - ROM heraus. Dann ging er, ohne etwas zu sagen, aus dem Zimmer. Shaz hörte, daß er erst ihren Computer, dann den Drucker einschaltete. Das vertraute Brummen, dann das dumpfe Rumpeln, während das System hochfuhr. Sie lauschte angestrengt und glaubte, ein paar Mausklicks, leises Klappern auf dem Keyboard und dann das unverwechselbare Wimmern zu hören, mit dem der Drucker das Papier einzog.
    Als er zurückkam, hatte er ein Blatt in der Hand. Er hielt es ihr vors Gesicht. »Weißt du, was das ist?« fragte er. Natürlich wußte sie’s, der Ausdruck eines illustrierten Artikels aus einem Nachschlagewerk. Sie mußte die fettgedruckte Zeile nicht lesen, um Vance’ makabre Symbolik zu verstehen.
    Sie gab ihm keine Antwort. Ihre Augen waren blutunterlaufen, aber sie hatten, als sie ihn stumm ansah, nichts von ihrer zwingenden Kraft verloren. Wenn es etwas gab, was sie sich fest vorgenommen hatte, dann, daß sie sich von ihm nicht kleinkriegen ließ.
    »Das ist ein guter Rat, den man Studienanfängern mit auf den Weg gibt, Detective Bowman. Die drei weisen Affen: nichts Böses sehen, hören oder sagen. Das hättest du, auch eine Anfängerin, dir zum persönlichen Motto machen, mir vom Leib bleiben und die Nase nicht in meine Angelegenheiten stecken sollen. Glaub mir, du wirst das bestimmt nicht wieder tun.«
    Er ließ den Bogen zu Boden flattern. Und plötzlich sprang er sie an, stieß mit beiden Händen ihren Kopf zurück, und im nächsten Moment lag der Daumen seiner prothetischen Hand auf ihrem Augapfel, drückte ihn auf und nieder, zerriß Muskelstränge und grub das Oval schließlich aus seiner Verankerung.
    Shaz’ gellender Schrei hallte nur in ihr wider, den Weg über ihre Lippen fand er nicht. Aber in ihr gellte er laut genug, um sie in eine erlösende Ohnmacht sinken zu lassen.
     
    Jacko Vance betrachtete das Werk seiner Hände – und siehe, es war gut. Da ihn gewöhnlich völlig andere Beweggründe dazu trieben, jemanden zu töten, hatte er einen Mord noch nie unter ästhetischen Gesichtspunkten gesehen. Hier war ihm ein mit Symbolik befrachtetes Kunstwerk gelungen. Er fragte sich, ob jemand klug genug wäre, der Botschaft, die er hinterlassen hatte, Beachtung zu schenken, und ob er sie, wenn er sie las, zu deuten wußte. Er bezweifelte das.
    Er beugte sich nach vorn und rückte das Blatt Papier auf ihrem Schoß zurecht. Als alles zu seiner Zufriedenheit arrangiert war, gestattete er sich ein kleines Lächeln. Nun mußte er nur noch sicherstellen, daß Shaz ihrerseits keine Botschaft hinterlassen hatte. Er begann, das Apartment gründlich zu durchsuchen, jeden Winkel und jedes Eck, einschließlich der Abfalleimer. Die Anwesenheit von Shaz’ sterblichen Überresten bedeutete für ihn keine Streßsituation, er war daran gewöhnt, Leichen um sich zu haben. Er war entspannt und so in seine intensive Suche vertieft, daß er, als er sie in der Küche fortsetzte, tatsächlich anfing, leise vor sich hin zu singen.
    In dem Raum, den sie als Büro benutzte, fand er mehr, als er erwartet hatte. Einen Karton mit Fotokopien alter Zeitungsausschnitte, einen Stapel handgeschriebener Notizen, auf der Festplatte ihres Laptops und andere, auf Disketten gespeicherte Dateien, darunter auch verschiedene Entwürfe der Analyse, die er bereits von der Durchsicht des Aktenordners kannte, den sie bei ihrem Besuch in Holland Park dabeigehabt hatte, sowie zahlreiche Computerausdrucke. Was ihn irritierte, war der Umstand, daß es zu den meisten Ausdrucken keine korrespondierende Datei gab,

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