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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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aufrichtete, wurde ihr zum ersten Mal klar, daß sie mit den Füßen angekettet war, beide Fußgelenke steckten in Eisenmanschetten, die mit einer schweren Kette verbunden waren. Wohin die Kette führte und wie lang sie war, konnte Donna mit einer Hand nicht feststellen. Nach vier tastenden Schritten an der Wand entlang war sie in einer Ecke angekommen. Sie machte kehrt und wollte es in der entgegengesetzten Richtung versuchen, aber schon nach zwei Schritten stieß sie mit dem Schienbein gegen irgend etwas Hartes. Als der Schmerz etwas nachließ, fand sie durch Abtasten und mit Hilfe des Geruchssinns heraus, daß es sich um eine chemische Toilette handelte. Mit dem Gefühl grenzenloser Dankbarkeit ließ sie sich darauf nieder und entleerte die Blase.
    Was sie plötzlich spüren ließ, wie durstig sie war. Ob sie Hunger verspürte, wußte sie nicht, aber der Durst war quälend. Sie tastete sich ein Stück weiter an der Wand entlang, bis die Kette sich plötzlich ruckartig spannte und sie schmerzhaft daran erinnerte, daß sie eine Gefangene war. Sie mußte eine Weile warten, bis die Schmerzwellen in ihr abklangen, dann trippelte sie, gebeugt wie eine alte Frau, an der Matratze vorbei zur gegenüberliegenden Wand und tastete dort mit der Hand das Mauerwerk ab.
    Nach wenigen Schritten stieß sie auf einen Wasserhahn, drehte ihn auf und fing gierig zu trinken an. Sie kniete sich sogar unter den Hahn, damit sie das eiskalte Wasser schneller mit offenem Mund schlucken konnte. Dabei stieß sie mit dem Kopf gegen eine Art Regal über dem Wasserhahn. Als sie sich satt getrunken hatte, tastete sie das Regal ab. Vier große, rechteckige Schachteln standen darauf, alle sehr leicht, und als sie sie schüttelte, erkannte sie an dem raschelnden Geräusch, daß es Schachteln mit Cornflakes waren.
    Das war alles, was sie über ihr Gefängnis herausfinden konnte. Sie hatte etwas zu essen und Wasser zum Trinken. Und im übrigen hatte der verdammte Kerl sie festgekettet wie einen Hund. Wollte er sie in diesem Verlies sterben lassen?
    Sie kauerte sich auf den Boden und fing an, wie ein Klageweib vor sich hin zu jammern.
    Aber das war alles schon ein, zwei Tage her, wenn nicht gar noch länger. Nun lag sie in der Agonie ihrer Schmerzen wimmernd und zitternd auf der Matratze und war dankbar, wenn sie hin und wieder vor Erschöpfung in Schlaf oder erlösende Ohnmacht fiel. Hätte sie gewußt, wie schlimm ihre Lage tatsächlich war, hätte sie keine Minute länger leben wollen.

D er Wagen hielt. Shaz wurde durch die Fliehkraft in die vordere Ausbuchtung des Kofferraums gepreßt und stieß sich die Ellbogen und Schultern an. In der verzweifelten Hoffnung, irgend jemanden auf sich aufmerksam zu machen, stemmte sie sich hoch und hämmerte mit dem Kopf gegen den Kofferraumdeckel, was aber nur dazu führte, daß neue Schmerzwellen sie durchrasten. Sie kämpfte gegen das Schluchzen an, da sie fürchtete, dann nicht mehr durchatmen zu können und an dem Knebel zu ersticken, den Vance ihr in den Mund geschoben hatte, bevor er sie – ein Stück weit über harten Parkettfußboden, dann über Teppichboden und schließlich ein paar wenige Stufen hinunter – zum Wagen geschleift und in den Kofferraum gewuchtet hatte. Es war verblüffend, wieviel Kraft und Geschick dieser einarmige Mann entwickelte.
    Shaz versuchte, möglichst tief und ruhig zu atmen. Der Kofferraum stank ekelhaft nach ihrem Urin, und sie mußte alle Willenskraft aufbieten, um den Brechreiz zu unterdrücken. Sollte Vance mal sehen, wie er den Urin aus dem Teppichbelag rausbrachte. Sie hatte eingesehen, daß sie nichts tun konnte, um ihr Leben zu retten, aber sie war fest entschlossen, alles daranzusetzen, daß der Kerl nicht ungestraft davonkam. Wenn die SOKO Vance je auf die Spur kam, war der uringetränkte Kofferraumteppich exakt der Beweis, den sie brauchten.
    Die Musik, die gedämpft von vorn zu ihr drang, brach abrupt ab. Er hatte, seit sie losgefahren waren, Hits aus den Sechzigern gehört. Unter der Annahme, daß sie pro Titel durchschnittlich drei Minuten ansetzen mußte, schätzte Shaz, daß sie nach etwa zwanzig Minuten Stadtfahrt ungefähr drei Stunden auf einer Fernstraße unterwegs gewesen waren, den Verkehrsgeräuschen nach vermutlich auf einer Autobahn. Aus der Zeit, die sie bis zum Autobahnzubringer gebraucht hatten, schloß sie, daß sie nach Norden unterwegs waren; die Auffahrt Richtung Süden hätten sie schneller erreicht. Es war natürlich möglich, daß er, um

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