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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Zuflucht bei Erinnerungen an ihre Kindheit. Einmal hatten Mum und Dad sie zum Valentinsmarkt nach Leeds mitgenommen. Zuckerwatte, Hot dogs, die wirbelnden Lichter der Karussells und das Riesenrad, in dessen Gondel sie in den nachtdunklen Himmel aufgestiegen war, bis sie von hoch oben auf den bunten Glanz hinuntersehen konnte. Dann hatte Dad für sie einen Teddybären gewonnen, und sie wußte noch genau, wie verschmitzt das weiße Gesicht sie angegrinst hatte. Dads letztes Geschenk vor seinem Tod.
    Es war alles seine Schuld, dachte sie und fing an zu schniefen. Wenn er nicht gestorben wäre, wäre das alles nie passiert. Sie wären nicht arm gewesen, und sie hätte nicht angefangen, von einer Karriere als Fernsehstar zu träumen. Sie hätte den Schulabschluß gemacht und wäre zur Uni gegangen, wie Mum es wollte.
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie schlug mit der linken Faust gegen die Wand und schrie: »Ich hasse dich.« Dabei war ihr nicht mehr als eine verschwommene Erinnerung an den schmalgesichtigen Mann geblieben, der seine Tochter abgöttisch geliebt hatte. »Ich hasse dich, du verdammter Kerl.«
    Etwas Gutes hatte das Schluchzen, es machte sie müde. So müde, daß sie schließlich wieder von einer barmherzigen Ohnmacht eingehüllt wurde.

V on Leons offenem, forschem Blick war nichts geblieben, er verschanzte sich hinter der arroganten, verschlossenen Miene, die er von vielen jungen Schwarzen kannte, egal, ob sie schon in Polizeigewahrsam saßen oder sich noch draußen auf der Straße herumtrieben. Auf seiner Straße. Er hatte zwar einen Dienstausweis in der Tasche, auf dem stand, daß er ein Cop war, aber er wußte, wohin er gehörte. Und die beiden smarten Yorkshireburschen, die ihm am Vernehmungstisch gegenübersaßen, wußten es auch.
    »Schön, Leon, Ihre Aussage deckt sich mit dem, was wir von DC Hallam gehört haben«, sagte Wharton. »Sie haben sich mit ihm um vier zum Bowling getroffen und danach im Cardigan Arms einen Drink genommen. Und dann haben Sie sich mit Simon McNeill zum Curryessen getroffen.«
    McCormick nickte. »Also hat keiner von Ihnen Shaz Bowman umgebracht.« Leon hielt ihn für einen Rassisten. McCormicks hölzerne Miene verriet nichts, der Blick war starr, irgendwie wartete man geradezu auf sein höhnisches Grinsen.
    »Nein, keiner von uns hat Shaz umgebracht, Sir.« Leon dehnte das letzte Wort so, wie Typen wie McCormick es vermutlich von Schwarzen erwarteten. »Sie war eine von uns. Mit uns verschwenden Sie nur Ihre Zeit.«
    »Nun«, sagte Wharton, »Sie wissen, daß wir abchecken müssen, wer zu welcher Zeit was getan hat. Und Sie als künftiger Profiler wissen auch, daß über neunzig Prozent aller Morde von Familienangehörigen oder Lovern begangen werden. Also, als Simon an diesem Abend zu Ihnen gestoßen ist, welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht? War er erregt? Oder kam er Ihnen niedergeschlagen vor.«
    Leon schüttelte den Kopf. »Weder das eine noch das andere. Er war ein wenig still. Vermutlich, weil Shaz nicht da war. Ich schätze, er hat sie sehr gemocht. Und als sie nicht kam, war er natürlich enttäuscht.«
    »Wie kommen Sie darauf, daß er sie gemocht hat?«
    Leon zuckte die Achseln. »Sein Benehmen, verstehen Sie? Die Art, wie er Eindruck auf sie machen wollte. So sind Männer gewöhnlich, wenn sie an einer Frau Interesse haben.«
    »Und glauben Sie, daß sie auch an ihm Interesse hatte?«
    »Ich glaub nicht, daß Shaz überhaupt an irgend jemandem Interesse hatte. Nicht so, daß es geknistert hätte. Dafür war sie zu versessen darauf, ihren Job gut zu machen. Ich glaube nicht, daß Simon Chancen hatte, bei Shaz zu landen. Es sei denn, er hätte was Besonderes zu bieten gehabt. Zum Beispiel eine heiße Spur in der Sache mit dem Serienmörder.«
    »Hat er erwähnt, daß er bei ihrem Haus war?« wollte McCormick wissen.
    »Nein. Aber das hätten Sie auch nicht getan, oder? Ich meine, wenn man denkt, daß einen gerade ein Mädchen sitzenlassen hat, erzählt man das ja nicht rum. Ist doch ganz normal, daß er nichts gesagt hat. Oder hätte er damit angeben sollen, daß er sich einen Korb geholt hatte?« Leon zündete sich eine Zigarette an und musterte McCormick mit starrem Blick.
    »Was hatte er an?«
    Leon dachte stirnrunzelnd nach. »Lederjackett, ein flaschengrünes Polo-Shirt, schwarze Jeans, schwarze Docs.«
    »Kein Flanellhemd?«
    »Nein. Nicht, als er zu uns ins Lokal kam. Warum? Haben Sie an Shaz’ Kleidung Flanellfasern gefunden?«
    »Nicht an der

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