Schlussblende
»Da geb ich dir recht. Aber es bleibt uns nichts anderes übrig, als zähneknirschend abzuwarten, bis sie vernünftig werden und mit sinnvollen Ermittlungen anfangen.«
»Das seh ich anders, Paul. Eine Frau aus meinem Team ist tot, und sie wollen uns nicht mal erlauben, ihnen bei der Suche nach dem Mörder zu helfen. Sie haben mich unmißverständlich spüren lassen, daß ich ein Außenseiter bin und nicht zu ihnen gehöre. Na gut, das hat auch seine Vorteile. Wenn du sie nicht dazu überreden kannst, mich in Ruhe zu lassen, halte ich morgen eine eigene Pressekonferenz ab. Und ich verspreche dir, das, was dabei rauskommt, wird dir ebensowenig gefallen wie Wharton und McCormick. Es wird Zeit, ein paar Verbindungen spielen zu lassen.«
Bishop seufzte. »Verstanden, Tony. Aber gib mir erst mal eine Chance.«
Tony legte auf, knipste die Schreibtischlampe an, zog den Vorhang wieder auf, stand reglos am Fenster und starrte auf die Straße. Er versuchte, Bishops Informationen mit dem zu verknüpfen, was er am Tatort festgestellt hatte. Der Mörder war wütend geworden, weil Shaz die Nase in seine Angelegenheiten gesteckt hatte. Das sprach für Shaz’ Theorie, daß hinter den Fällen der verschwundenen jungen Mädchen ein Serienmörder steckte. Offenbar hatte Shaz irgend etwas getan, was den Mörder in Panik versetzt und zu dem Entschluß gebracht haben mußte, sie zu beseitigen. Und soweit sie wußten, hatte sie nichts anderes getan, als Vance einen Besuch abzustatten. Und das wenige Stunden vor ihrem Tod.
Damit war für ihn klar, daß Shaz’ Mörder nicht irgendein Irrer aus Jacko Vance’ Fangemeinde sein konnte, weil der innerhalb so kurzer Zeit nichts von Shaz’ Besuch bei Jacko Vance erfahren, geschweige denn herausfinden konnte, wer sie war, woher sie kam und was sie von Vance wollte.
Er mußte mehr über das Treffen zwischen Shaz und Vance herausfinden. Wenn der Mörder aus Vance’ engerer Umgebung stammte, war er möglicherweise bei dem Gespräch dabeigewesen. Wenn Vance aber allein mit ihr gesprochen hatte, kam nur er selbst als Mörder in Frage. Selbst wenn er, nachdem sie gegangen war, sofort zum Telefon gegriffen und irgendeinem Dritten von ihrer Vermutung erzählt hätte, wäre dem nicht genügend Zeit geblieben, sich an Shaz dranzuhängen, herauszufinden, wo sie wohnte, und sie auch noch dazu zu überreden, ihn ins Haus zu lassen.
In diesem Moment gaben seine beiden Bewacher auf und fuhren davon. Tony warf das Jackett über eine Stuhllehne und ließ sich schwer in den Drehsessel vor dem Computer fallen. Es war lediglich ein kleiner Teilerfolg, aber er machte ihm Appetit darauf, nun auch den Beweis dafür zu finden, daß Shaz mit ihrer Vermutung recht gehabt hatte und genau darum getötet worden war. Und damit stand er abermals vor der Frage, welches Paßwort sie gewählt haben konnte. Den Namen eines Romanhelden? Tony versuchte es mit KINSEY , MILLHONE , MORSE , HOLMES , MARPLE und POIROT . Eine Niete nach der anderen. Vielleicht ein Schurke aus einem bekannten Roman? MORIARTY , HANNIBAL , LECTER ? Wieder nichts.
Normalerweise hätte das Geräusch eines draußen haltenden Autos ihn nicht aus seiner Konzentration gerissen, aber heute war es wie ein Alarmsignal. Er reckte sich ein Stück hoch, sah nach draußen und erstarrte. Die drei, die aus dem roten Ford stiegen und im Gänsemarsch aufs Haus zukamen, hatten ihm gerade noch zu seinem Glück gefehlt. Kay Hallam, Simon McNeill und Leon Jackson schielten zum Fenster hoch und sahen natürlich, daß er mit finsterer Miene zu ihnen hinunterstarrte. Mit ärgerlichem Knurren stemmte Tony sich hoch, öffnete die Wohnungstür und kehrte, ohne sich weiter um die drei zu kümmern, zum Computer zurück.
Und da kamen sie auch schon ins Zimmer marschiert, wieder in Reihe, und suchten sich stumm einen Platz – Simon auf dem Fensterbrett, Leon am Aktenschrank und Kay im Lehnstuhl in der Ecke. Tony wirbelte in seinem Drehstuhl herum, starrte sie an und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie miserabel er sich fühlte. »Irgendwie kann ich verstehen, warum Leute sich zu Verbrechen bekennen, die sie gar nicht begangen haben«, sagte er, und das war nicht mal nur als Scherz gemeint.
Simon sah ihn trotzig an. »Mich allein haben Sie nicht ernst genommen, darum habe ich Verstärkung mitgebracht.«
»Dieser McCormick und der Wharton, die haben’s auf uns abgesehen«, platzte Leon heraus. »Haben mir den ganzen Nachmittag Honig ums Maul geschmiert. ›Na
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