Schmerzliche Heimat: Deutschland und der Mord an meinem Vater (German Edition)
Hursit Bas waren drin. Die Spur war heiß.
Am 5. März 2001 wurde Yildirim nach Nürnberg gebracht und in der Kriminalpolizeidirektion am Jakobsplatz vernommen. Wieder schaute er die Mappe durch. Achtlos blätterte er über Adile Simsek hinweg. Für Hüseyin Bas interessierte er sich nicht. Aber den da, sagte er und deutete auf Bild Nummer zwanzig, den kenne ich. Der Vernehmungsbeamte ließ sich nichts anmerken. Das Foto zeigte Enver Simsek.
Und nun erzählte Yildirim, von diesem Bild ausgehend, eine Geschichte, die sich angeblich im Sommer oder Frühherbst 1997 abgespielt hatte. Yildirim war damals als Herointransporteur tätig. Er hatte gerade den Auftrag erhalten, nach Holland zu fahren und dort hundertdreißigtausend Mark zu übergeben, zum einen, um eine Altschuld zu begleichen, zum anderen, um zwanzig Kilo Heroinstreckmittel zu bezahlen, die man ihm dort überreichen würde. Sie waren zu zweit unterwegs. Mit dem Auto fuhren Yildirim und ein gewisser Ersin von Ludwigshafen nach Frankfurt, von da mit dem Zug weiter nach Rotterdam. Für die Rückfahrt wäre gesorgt. In einem Rotterdamer Lokal trafen sie ihren Geschäftspartner, einen Kerl mit Namen Mahir. Mahir nahm die hundertdreißigtausend Mark entgegen, Ersin stand auf, um zu telefonieren. Eine knappe halbe Stunde später ging die Tür des Lokals auf, und herein kam, so erzählte Yildirim, die Nummer zwanzig. Zu viert tranken sie Tee, dann fuhren sie miteinander los, zu einer etwas abseits gelegenen Gärtnerei.
Mahir verschwand dort im Keller und kam mit einer Reisetasche zurück. Ersin zog den Reißverschluss auf und kontrollierte den Inhalt: Zwanzig Pakete lagen darin, Pakete mit weißem Pulver, Streckmittel, um das teure Heroin mit einem billigeren Stoff zu verschneiden, wahrscheinlich Valium oder Koffein oder Rohypnol, sauber kiloweise portioniert und in Plastikfolie eingeschweißt. Während Ersin und Yildirim die Ware prüften, stand Nummer zwanzig daneben und sah zu. Danach nahm er die Tasche und kletterte in den Stauraum seines Lkw, der draußen parkte, zog eine Schublade auf und verstaute den Stoff. Ja, eine Schublade, bestätigte Yildirim, als einer der Polizisten nachfragte, sie befand sich an der rechten Wand des Laderaums.
Ersin und Yildirim packten zwei Beutel mit Klamotten vor die heiße Ware und besprühten das Schubfach mit einer Deowolke, für den Fall, dass sich bei einer Grenzkontrolle ein Drogenspürhund in den Laster verirren sollte. Sie schlossen die Schublade und den Laderaum, das Geschäft war gelaufen. Mahir verabschiedete sich. Ersin, Yildirim und Nummer zwanzig fuhren zurück. Den niederländisch-deutschen Grenzübergang bei Aachen passierten sie ohne Probleme. In Frankfurt holte Nummer zwanzig das Streckmittel wieder hervor und drückte es Ersin in die Hand. Der warf die Tasche in den Kofferraum seines Passat, mit dem Ersin und Yildirim weiterfuhren, dann lagerten sie die Ware, bis sie gebraucht würde, in einem Erdversteck.
Der Vernehmungsbeamte legte noch mehr Fotos vor Yildirim auf den Tisch: Was ihm dazu einfalle?
Genau, sagte Yildirim, das ist der Wagen. Die Bilder zeigten einen Lkw aus verschiedenen Perspektiven. Unübersehbar die roten Buchstaben an den weißen Seiten und der Rückfront des Lasters: «Simsek Blumen». Absolut, sagte Yildirim zu dem Polizisten, das war der Lkw, «Simsek» stand drauf, definitiv.
Der Ermittler klappte die Bildermappe zu, geplättet von so viel Mitteilungsdrang. Vier Stunden lang hatte Yildirim erzählt, Details und Einzelheiten ausgemalt. Am nächsten Morgen kurz nach halb neun ging es weiter. Nun wollte der Beamte wissen, wie die Fahrt zurück von Rotterdam nach Frankfurt verlaufen sei.
Fünfeinhalb Stunden waren sie unterwegs, erklärte Yildirim, vielleicht etwas länger. Nummer zwanzig saß am Steuer, er, Yildirim, rechts am Fenster, Ersin auf dem mittleren Sitz. Nummer zwanzig und Ersin unterhielten sich, Yildirim schwieg meist. Nummer zwanzig sagte irgendwann: Es sei doch denkbar, dass mal einer aufhören, nicht mehr mitmachen wolle bei diesen Drogendeals. Ersin antwortete: So einen gebe es nicht. Was er damit meinte, war klar: Keiner sei so verrückt, auszusteigen, das wäre der sichere Tod.
Enver Simsek, ein Drogentransporteur. Da war sie endlich, die heiße Spur. Bis hierhin hatten die Ermittler alles richtig gemacht, sie hatten diesem Yildirim eine detailreiche Aussage entlockt. Der polizeilichen Kunstlehre entsprechend musste nun der zweite Schritt erfolgen, Punkt für
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