Schmerzlos: Thriller (German Edition)
»Ev?«
Ich starrte nur stumm auf das Plakat. Nach einer Weile lehnte er sich zurück.
»Großer Gott«, sagte er. »Was ist denn hier passiert? Ein Heckenschütze auf einem Kirchturm?«
Billy D’Amato. Autounfall.
Shannon Gruber. Lungenentzündung nach schwerer Krankheit.
Teddy Horowitz. Flugzeugunfall an Bord der USS Nimitz.
Linda Garcia. Schwere Krankheit.
Sharlayne Jackson. Komplikationen bei der Entbindung.
Ich presste die Hand auf den Mund.
Marcy Yakulski. Autounfall. Neben Marcys Foto hing ein Artikel aus dem Cincinnati Explorer. » Auto nach Unfall in Flammen aufgegangen – vier Tote.«
Krebs.
Schwere Krankheit.
Tod durch Naturgewalt.
Jesse warf mir einen sonderbaren Blick zu. »Vielleicht solltest du ab jetzt einen Talisman bei dir tragen.«
Das Licht spiegelte sich in den Facetten der Diskokugel und huschte über die Namen auf dem Plakat. Als ich den letzten Namen las, spürte ich, dass ich stechende Kopfschmerzen bekam.
Dana West. OP-Schwester. Gestorben bei einem Krankenhausbrand.
»Ich muss hier raus.« Ich rannte auf die Tür zu. Mir war schlecht, ich brauchte dringend frische Luft.
Der Mustang röhrte über den Highway 395 nach Norden, raus aus der Stadt. Ich drückte immer noch das Gaspedal durch.
»Dana West hab ich gekannt. Das ist die Krankenschwester, die gestorben ist.«
Ich kannte auch alle anderen Namen auf dem Plakat, doch Dana Wests Gesicht war mir in Erinnerung geblieben. Sie hatte ein warmes Lächeln gehabt, und ein Lachen, das einen aufheiterte, wenn man in der Schlange vor der Essensausgabe stand. Außerdem hatte sie eine ausgesprochene Begabung dafür, andere zu trösten. Sie hatte drei Häuser weiter gewohnt. Jesse legte mir sanft die Hand in den Nacken.
»Ein Krankenhausbrand. Sie ist im Dienst gestorben. Das ist doch zum Kotzen. Manchmal könnte ich einfach …«
Ich fuhr mir mit dem Handrücken über die Augen. Zwölf meiner Klassenkameraden waren tot. Und Valerie Skinner war gleich die Nächste.
Die Wüstennacht war vollkommen still, der Himmel ein schwarzes Segel, das unzählige Sterne eingefangen hatte. Die Straße führte durch offenes Gelände, und obwohl es fünfzehn Jahre her war, kannte ich noch immer jede Kurve – was irgendwie tröstlich war. Ich fuhr bis auf die Anhöhe und fand den Parkplatz auf Anhieb.
Wir standen am höchsten Punkt eines natürlichen Amphitheaters, das eine grandiose Aussicht nach Westen auf die Sierras bot. Weit unten schmiegten sich die Lichter von Long Pine in die Ebene. Ich stieg aus und ging zur Beifahrerseite.
Er öffnete die Tür. »Hilfst du mir? Ich hab meine Wanderausrüstung zu Hause gelassen.«
Jesse konnte ein paar Schritte gehen, aber er hatte seine Krücken nicht dabei. Ich stellte mich vor ihn, und als er aufstand, hielt er sich an meinen Unterarmen fest. Ich genoss den Moment; ich hatte es gern, wenn er in seiner vollen Größe vor mir stand. Er besaß immer noch den geschmeidigen Körper eines Schwimmers, der ihm mehrere Titel bei den Landesmeisterschaften und einen Platz im amerikanischen Weltmeisterschaftsteam eingebracht hatte. Er schaffte den knappen Meter bis zum Heck des Wagens, wo er sich hochzog und auf den Kofferraumdeckel setzte.
Weißes Feuer zuckte über den Himmel. Vor uns erhob sich die dunkle Wand der Sierras. Ich stellte mich zwischen seine Beine und lehnte mich zurück.
»Einen Tag, nachdem ich Valerie eins auf die Nase gegeben hatte, ist mein Vater mit mir hierhergefahren.«
Damals dachte ich, mein Leben sei vorbei. Ich war für unbestimmte Zeit von der Schule verwiesen worden, und meine Eltern hatten mir Hausarrest erteilt. Am liebsten hätte ich mich in meinem Zimmer unter der Bettdecke verkrochen. Stattdessen verfrachtete mich mein Vater ins Auto, fuhr mit mir zu diesem einsam gelegenen Hügel und brachte mir das Schießen bei.
Mein Dad war damals ein schlanker, sehniger Mann mit Südstaatenakzent und kurz geschorenem Haar in der Farbe von Eis. Während er die Blechdosen aufstellte und Großvaters alte Schrotflinte lud, redete er die ganze Zeit.
»Manchmal ist es Wut, und manchmal ist es Notwehr. Gestern war es Wut, und deshalb hatte die Sache Folgen für dich.«
Er zeigte mir, wie man den Kolben des Gewehrs an die Schulter legte und das Ziel anvisierte.
»Aber du darfst dich nie von jemandem schikanieren lassen. Ich bin stolz darauf, dass du ihr die Stirn geboten hast. Du hast es nur falsch angestellt. Lass beide Augen offen. Und pass auf den Rückschlag auf.«
Ich zielte
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