Schmerzlos: Thriller (German Edition)
lassen?«
»Einverstanden.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust, als wäre ihr kalt, obwohl sie bei über dreißig Grad lange Ärmel trug. »Deshalb bin ich ja auch hier. Die Vergangenheit soll ruhen. Warum soll man sich wegen so was auch Gedanken machen. Wir ziehen einen Schlussstrich.«
»Amen.« Wir starrten uns an. »Dann ist also alles klar zwischen uns?«
»Aber ja.« Valerie lächelte und beugte sich vor. »Wie war’s?«
»Was?«
»Mit ihm zu schlafen.«
Ich musste blinzeln. Sie musterte Jesse und grinste.
»Ich hab euch zusammen aus eurem Zimmer kommen sehen. Was habt ihr gemacht? Wagenrennen veranstaltet? Oder hast du ihm die Peitsche gegeben?«
Zwar war ich zwanzig Jahre älter, aber das verschlagene Glitzern in ihren Augen fiel mir immer noch nicht rechtzeitig auf. Ich wurde rot. »Gestern hätte ich dich um ein Haar nicht wiedererkannt. Dabei hast du dich kein bisschen verändert.«
»Es spricht doch nichts dagegen, dass ich mich über dich lustig mache.« Sie räusperte sich. »Ich hab zwar Probleme mit meinem Gedächtnis, aber ich weiß ganz genau, dass kein Junge in unserer Klasse so gut ausgesehen hat wie er. Rollstuhl hin, Rollstuhl her. Du hast ihn mitgebracht.«
Valerie warf ihm noch einen Blick zu. »Du hast wirklich Glück. Genieß die Zeit mit ihm«, sagte sie fast wehmütig.
Die Kinder der Hankins rannten an uns vorbei, Abbie hinterher.
»Ein Predator ist stärker als ein Alien«, sagte Travis. »Eindeutig.«
»Ein Raptor könnte einen Predator schlagen«, sagte Dulcie. »Er ist genetisch manipuliert.«
Die kleine Hayley folgte ihnen. »Und was würde passieren, wenn Barbie mit einem Predator kämpft?«
Abbie scheuchte sie fort und rief ihnen hinterher: »Holt euch was zu essen.« Dann umarmte sie mich.
»Deine Familie scheint aus lauter Science-Fiction-Experten zu bestehen. Find ich klasse«, sagte ich.
»Du hast ja keine Ahnung. Man kommt sich unheimlich alt und dumm vor, wenn einem eine Achtjährige was von Genmanipulation erzählt.« Sie lächelte Valerie an. »Wie geht’s dir?«
»So langsam könnten sie mal die Großaufnahme von mir machen, findest du nicht auch?«, erwiderte Valerie.
Auf der anderen Seite der Terrasse standen einige Lehrer zusammen. Sie wirkten dicker und nachlässiger gekleidet, als ich sie in Erinnerung hatte. Miss Shepard hatte sich bei ihrem Mann eingehakt, Dr. Tully Cantwell. Sie trug einen pinkfarbenen Batikrock und ein T-Shirt, das mit einem Muster aus Felszeichnungen bedruckt war.
Abbie verdrehte die Augen. »Das Zentrum des Kosmos. Weißt du noch? Spiralen sind der Nabel der Mutter Erde …«
Ich hob abwehrend die Hand. »Hör bloß auf. Dieser Tag hat mich für immer von Mutter Erde entfremdet.«
»Hallo!« Abbie lächelte und winkte. »Dr. C!«
Was den Vogelscheuchenfaktor anging, schlug Dr. Tully Cantwell die anwesenden Lehrer mit Leichtigkeit. Sein Gesicht war gerötet, und er hatte versucht, die kahlen Stellen auf seinem Kopf durch darübergekämmte Haarsträhnen zu verdecken, was ihm natürlich nicht gelungen war und gerade deshalb so charmant aussah. Er schritt durch die dicht gedrängte Menge auf uns zu. Offiziell war Dr. Cantwell der betreuende Arzt sämtlicher Sportmannschaften an der Highschool, inoffiziell der Kummerkasten für die Schüler. Er war lustig, sympathisch und unkompliziert und hatte es sich heute nicht nehmen lassen, eine blaugrüne Krawatte und eine Nadel mit dem Emblem der Highschool zu tragen.
Valerie wandte sich ab. »Ich kann keine Ärzte mehr sehen. Wenn diese alte Grinsrübe fragt, wie es mir geht, krieg ich einen Schreikrampf.«
Sie ergriff die Flucht. Als Dr. Cantwell uns erreicht hatte, streckte er die Hand aus.
»Abbie. Wie geht’s dem Knie?«
»Dem geht es bescheiden, aber mir geht es großartig. Sie sehen gut aus.«
Er lächelte mir zu. »Evan?«
»Auf Anhieb richtig. Ich bin beeindruckt.«
Wir unterhielten uns kurz, bevor ich mich entschuldigte und zu dem Tisch mit dem warmen Essen hinüberschlenderte. Jesse holte sich gerade was zu trinken. Neben ihm standen die Kinder der Hankins und beluden ihre Teller mit Hamburgern und Kartoffelsalat.
Dulcie hatte eine ernste Miene aufgesetzt. »Ist doch egal, dass die Aliens Säure im Blut haben. Die Borgs haben Schutzschilde.«
Ich nahm mir einen Teller. »Da hast du völlig recht.«
Sie streckte ihrem Bruder die Zunge heraus.
Hayley stapelte Kekse auf ihren Teller. Bohnen in Tomatensoße tropften auf den Boden. »Wenn Raptoren mit meinen
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