Schmerzlos: Thriller (German Edition)
Festnetznummer. Er wählte.
In den Büschen hinter ihm raschelte es. Am anderen Ende der Leitung war das Freizeichen zu hören. Geh endlich ran. Mach schon.
Im nächsten Moment brach der Hund durch das Gestrüpp und starrte ihn keuchend an. Was für ein hässliches Monster! Er rührte sich nicht von der Stelle. Nur keine Angst zeigen.
Der Anrufbeantworter schaltete sich ein. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Der Hund senkte den Kopf und knurrte. Er musste weg, aber zuerst musste er eine Nachricht hinterlassen. Zehn Sekunden, mehr hatte er nicht.
»Phil hier«, begann er. »Ich steck in Schwierigkeiten. Du musst mir helfen.«
Der Hund schob sich mit gefletschten Zähnen immer dichter an ihn heran. Im Gestrüpp hinter sich hörte er Lärm. Das Licht von Taschenlampen blendete ihn.
Er rasselte die Anweisungen herunter. »Heute Nacht. Morgen ist es zu spät. Und …«
Der Hund pirschte sich an. Ganz ruhig bleiben. Nur nicht bewegen.
»Du musst meine Tochter raushalten. Evan darf nichts erfahren. Halt sie da raus. Hörst du, Jesse? Wenn du versagst, gerät meine ganze Familie ins Fadenkreuz.«
Die beiden Gangster brachen durch die Büsche. Mit einem Riesensatz hechtete Phil Richtung Straße.
Sein Knie hielt, und er erreichte die Fahrbahn in dem Augenblick, als die Scheinwerfer um die Kurve bogen. Sein Herz raste. Er hob die Hände, um den Fahrer zum Anhalten zu bewegen. Mit gleißenden Scheinwerfern stoppte der Wagen vor ihm.
Phil stürzte auf das Auto zu. Die Tür öffnete sich, und die Innenbeleuchtung schaltete sich ein. Ein Mann und eine Frau. Pelz, Diamanten, gespannte Erwartung. Er blieb stehen. Die Frau lächelte, als sie ihn erkannte. Der Fahrer stieg aus. Jung, voller Energie, arrogant lächelnd. In der Hand hielt er eine Waffe.
»Hallo, alter Mann«, sagte er.
Phil rührte sich nicht. Er sammelte seine letzten Kräfte für den Augenblick der Entscheidung.
2. Kapitel
Montag
Regennasse Äste griffen nach mir und kippten ihre feuchte Last über mir aus. Das Gestrüpp war dicht, und der Boden schlüpfrig. Dreißig Meter unter mir donnerte der Ozean gegen die Felsen.
»Evan, bleib stehen.«
Mir entging nicht die Sorge in Lilia Rodriguez’ Stimme, aber ich rammte nur die Fersen ins Geröll, um mein Tempo zu verlangsamen. Die Morgensonne sickerte durch die Wolken und tauchte die Schneise aus abgebrochenen Bäumen und aufgewühlter Erde, die der Wagen bei seinem Sturz gezogen hatte, in ein goldenes Licht.
»Da ist es nicht sicher. Warte!«, rief Lily.
Oben auf dem Highway 1 qualmten grellrosa Warnleuchten. Lilys Kollegen vom Sheriff’s Department dirigierten einen Abschleppwagen mit Winsch und siebzig Metern Stahltrosse, während ein Trupp der Rettungswacht vom County Santa Barbara die nächste Aktion plante. Ihre warnenden Rufe konnten mich nicht bremsen.
Mein Fuß verfing sich in einer Wurzel, und ich landete auf allen vieren. Steine schürften mir die Handflächen auf und bohrten sich durch den Stoff meiner Jeans. Vergeblich nach Halt suchend, kullerte ich den Hang hinunter und landete mit dem Gesicht voran in einem Manzanita-Busch. Als ich mich aufsetzte, entdeckte ich das Auto. Das Heck war unbeschädigt. Die Heckleuchten waren unversehrt, und der blaue Metallic-Lack glänzte. Der Wagen zeigte in einem Winkel von vielleicht fünfundsiebzig Grad nach oben, sodass die Räder und der Unterboden zu sehen waren. Der Kühlergrill hatte sich bei dem Aufprall um einen Felsblock gewickelt.
Hinter mir kämpfte sich Lily außer Atem durch die Büsche und blieb wie angewurzelt stehen. Beim Anblick des Wracks verlor selbst sie die Fassung.
Ich rappelte mich auf und rutschte bis zu der offenen Fahrertür. »Dad.«
Keine Antwort. Er war nicht im Auto, das hatte mir Lily schon mitgeteilt, als sie an meiner Tür klingelte. Die Fahrertür hatte sich dreißig Zentimeter tief in den Schlamm gegraben und beim Sturz eine Furche in den gesamten Hang gerissen. Ich stützte mich mit den Händen ab und beugte mich ins Wageninnere. Die Windschutzscheibe war zerschmettert, der Airbag hatte sich geöffnet, und der Motorblock hatte den Vordersitz durchstoßen. Das Armaturenbrett war über und über mit Kaffee bespritzt.
Ich spähte nach oben. »Dad?«
Lily arbeitete sich zu mir vor. Ihr Koboldhaar flatterte im Wind, und sie trug einfache Jeans. Nur die Jacke des Sheriff’s Department und die Waffe an ihrer Hüfte verrieten die Polizeibeamtin.
»Evan, das ist gefährlich. Komm bitte wieder mit nach oben.«
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