Schmerzlos: Thriller (German Edition)
war ihm auf den Fersen.
Der Pfad führte über Steine und Wurzeln nach oben zum Highway. Das Tier war kein Spürhund und würde seiner Fährte auf dem nassen Boden vermutlich nicht folgen können, aber es würde ihn hören. Leise konnte er nur sein, wenn er das Tempo drosselte, aber das kam nicht in Frage. Der Hund war auf Menschen abgerichtet, wie die blutige Bisswunde an seinem Arm bewies.
Soll ich ihn zurückpfeifen? Dann sag uns, was wir wissen wollen, du Drecksack.
Phil schaute sich um. Die Lichtkegel der Taschenlampen zuckten unruhig. Seine Verfolger bewegten sich schnell.
Auf alles war er gefasst gewesen, nur nicht darauf. Der Einsatz lag ein Dutzend Jahre zurück. Zehn Jahre waren seit seinem Abschied von der Marine vergangen. Während der ganzen Zeit nicht die Andeutung eines Nachspiels. Und dann, an einem Frühlingsnachmittag auf einem kalifornischen Highway ein Hinterhalt.
Warum ausgerechnet jetzt?
Ihn zu finden, war sicher kein Problem gewesen. Im vergangenen Jahr hatte jeder sein Gesicht auf CNN, StarNews Asia oder BBC World sehen können. Aber seine Verfolger waren nicht aus dem Ausland. Sie sprachen mit den ausdruckslosen Stimmen des Abschaums aus den Trailerparks.
Diese Schläger waren Yankees. Der mit dem dünnen schwarzen Pferdeschwanz, dem Spitzbart und den Springerstiefeln war ein Typ, wie ihn Phil nur allzu oft in den Spelunken der Hafenstädte angetroffen hatte: abgefüllt mit Southern Comfort und immer auf der Suche nach einer Schlägerei. Jedenfalls solange der Gegner kleiner und schwächer war oder von drei anderen festgehalten wurde. Aber warum jetzt? Wie waren sie ihm nach zwölf Jahren auf die Schliche gekommen? Der Einsatz selbst war ein einziges Desaster gewesen, aber sie hatten sauber aufgeräumt. Außer ihm war nur ein einziger Mensch daran beteiligt gewesen, und der hätte ihn nie verraten. Jax.
Trotzdem wussten diese Leute Bescheid. Sie hatten ihn aufgespürt, ihm den Weg abgeschnitten und ihn aus dem Auto gezerrt. Als er unter ihren Fäusten und Stiefeltritten zusammenbrach, wurde ihm klar, dass ihn jemand verkauft haben musste.
Über ihm rasten Scheinwerfer vorbei. Selbst in dieser gottverlassenen Gegend begegnete man alle fünf bis zehn Minuten einem Wagen. So lange konnte er seinen Vorsprung halten. Mit Fingern und Nägeln arbeitete er sich den Hang hinauf.
Wer hatte gewusst, dass er in Santa Barbara lebte? Seine Familie natürlich: sein Sohn, seine Tochter, seine Ex-Frau. Seine Anwälte Jesse und Lavonne. Und Jax.
Nur dass Jax nicht hier war. Sie war nie hier gewesen. Die Bitte um ein Treffen war eine Falle gewesen.
Er stolperte über einen Stein, und der Schmerz schoss durch sein Bein. Keuchend hetzte er den Pfad hinauf. Verdammt noch mal. Er war kräftig, aber immerhin schon neunundfünfzig und bei weitem nicht so fit wie in seiner Jugend. Noch ein falscher Schritt, und das Knie würde unter ihm nachgeben. Dann konnte ihn nur noch ein Paar Flügel retten.
Das Bellen näherte sich. Ihn hatten sie aufgespürt, aber er war nicht das eigentliche Ziel. Er musste eine Warnung absetzen.
Die Wolken zerrissen, und Mondlicht ergoss sich über die Landschaft. Das Gestrüpp wurde lichter und dann – Gott sei Dank, da war die Straße. Schwer atmend duckte er sich hinter einen Baumstamm. Erst wenn ein Auto kam, durfte er sich aus der Deckung wagen.
Er wusste, was sie von ihm wollten. Das, was Jax verbarg. Sie wollten die Macht, und sie wollten Zerstörung. Operation Riverbend. Wenn er es ihnen nicht gab, würden sie sich an seinen Kindern und seinem Enkel vergreifen.
Er musste seine Familie da raushalten. Zu lange hatte er dafür gekämpft, sie zu schützen, als dass er jetzt versagen durfte.
»Hier lang!«, schrie jemand am Fuß der Böschung.
Das war die Frau, die Hexe mit den schlechten Zähnen und dem irren Blick eines Junkies. Vermutlich wollte sie ihn bloß deshalb erledigen, damit sie sich schnellstmöglich ihre nächste Dosis Methamphetamin verpassen konnte. Vielleicht hatte sie ihn deswegen ins Gesicht getreten.
Schwer atmend zückte er sein Handy und schirmte das Display mit der Hand ab, um zu verhindern, dass das Licht seine Position verriet. Jax oder ihren Mann würde er sicher nicht mehr erreichen. Ihm blieben bestenfalls Sekunden. Mit vor Erschöpfung zitternden Händen blätterte er durch die gespeicherten Namen, bis er auf einen stieß, der ihm vertrauenswürdig schien. Jemanden, der noch in dieser Nacht handeln konnte. Verdammt noch mal, er hatte nur die
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