SchmerzLust: Mein geheimes Leben als Domina (German Edition)
mir etwas ein. Was hatte Alex eben gesagt?
»Wenn du willst, kann ich das ganze Zeug das nächste Mal auch trinken.«
Mist. Genau das hatte ich vorgehabt. Und es war jetzt schon klar, dass ihm das überhaupt nichts ausmachen würde. Ich hatte es befürchtet, also konnte ich mir eine solche Aktion auch gleich sparen. Dabei hatte ich so eine nette Idee … »Hütchenspiel« hatte ich sie für mich getauft. Aufgeben wollte ich sie aber auf keinen Fall, dazu interessierte mich ihr Verlauf zu sehr. Ich überlegte intensiv, während ich mich an Alexander kuschelte und durch den Fernseher hindurchschaute. Und plötzlich wusste ich, wen ich damit beglücken würde …
DAS HÜTCHENSPIEL
»Wie heißt du?«, hatte ich ihn bei unserer ersten Begegnung gefragt.
»Sie können mich Mike nennen, Herrin«, hatte er geantwortet.
»Warum?«
»Ich soll einem gewissen Musiker ähnlich sehen …«
Stimmt. Als er es sagte, sah ich es auch. Er dürfte sogar das gleiche Alter gehabt haben.
Mike ist der vermeintlich klassische Gast eines kommerziellen SM-Studios: selbstbewusst, erfolgreich und in einflussreicher Position. Besser: in einer typischen Machtposition. Kurz: Er ist Richter an einem deutschen Landgericht. Ich weiß das, weil ich Mike seit dem Beginn meiner Tätigkeit als Domina kenne. Meine Kolleginnen haben mir damals brühwarm erzählt, was er tut, wenn er nicht nackt auf dem Boden kniet und seiner Herrin hingebungsvoll die Stiefel leckt. Später hat er sich mir selber anvertraut, weil er über eine hervorragende Menschenkenntnis verfügt und genau weiß, dass er mir vertrauen kann. Warum bezeichne ich ihn als vermeintlich klassisch? Weil bestimmte Berufsgruppen prädestiniert dafür zu sein scheinen, auf SM zu stehen. Richter, Anwälte, Mediziner, Politiker, Polizisten und mittelständische Unternehmer gehören auf jeden Fall zur bevorzugten Zielgruppe. Bitte jetzt keinen Entrüstungssturm: Viele Studiobesucher rekrutieren sich aus einer dieser Gruppen – aber nicht alle! Es gibt durchaus auch Arbeiter, Rentner, Arbeitslose, Studenten und Lehrer. Um nur einige zu nennen. Auch bestimmte Handelsmessen ziehen ihre Kreise bis in die Studios. Ich kann mich dabei nur auf meine Erfahrung in Düsseldorfer und Wuppertaler Studios beziehen. Man mag kaum glauben, was sich dort zu Zeiten der »Medica«, der großen medizinischen Fachmesse, so alles an Ärzten und Pharmazeuten tummelt. Oder wenn Schuhmesse ist: Dann sind unter den Gästen plötzlich besonders viele Schuh- und Fußliebhaber, die ihrem Fetisch frönen wollen. Es gibt noch ein weiteres Klischee, das zu gleichen Teilen berechtigt wie unberechtigt ist: Je größer die Verantwortung ist, die jemand trägt, umso stärker ausgeprägt kann das Bedürfnis sein, all diese gebündelte Verantwortung hin und wieder mal an der Eingangstür eines bizarren Studios abzugeben und erst beim Verlassen wieder auf die Schultern zu laden. Das leuchtet doch ein, oder? Es ist genauso ein Ausgleich wie der Ausdauersport zur sitzenden Tätigkeit. Oder der Karibikurlaub nach einem Jahr Dauerstress. Ich glaube, der Letztere ist der beste Vergleich, denn er deckt sich mit den Aussagen zahlreicher Gäste, die ich in meiner Obhut hatte: Eine SM-Session ist wie Urlaub vom täglichen Ich. Und das wiederum gilt auch für Menschen, die nicht dieselbe Last der Verantwortung tragen wie oben genannte Berufsgruppen, aber trotzdem das tiefe Bedürfnis haben, hin und wieder einfach mal abzutauchen.
Zurück zu Mike, der sich mindestens einmal monatlich im Studio »ausgleichen« ließ. Er war von kräftiger und trainierter Statur und konnte rein optisch gut als echtes Mannsbild durchgehen. Wenn er überhaupt devot war, dann nur ein bisschen. Dafür liebte er Qualen, physische und psychische – weshalb er immer gern zu mir kam. Wir ließen uns dabei auch nicht davon abhalten, dass er keine sichtbaren Spuren davontragen durfte. Im Gegenteil: Das spornte uns höchstens an. Außerdem liebte auch er es, für eine Weile die Kontrolle abzugeben. Wer konnte es ihm verdenken, bei einer gefühlten Million Verurteilten unter seinem Vorsitz? Im Studio kam ihm anfangs immer mal wieder der Richter in die Quere, dessen Autorität mit den Befehlen einer Domina kollidieren konnte. Dieses Problem hatten wir jedoch schnell gelöst: Ich machte ihm unmissverständlich klar, dass, wenn er einmal das Haus betreten und sich für mich entschieden hatte, es keinen Ungehorsam und keine Widerworte mehr gab.
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