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Schmerzspuren

Titel: Schmerzspuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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angewöhnt, bei unserem neuen Song immer nur trocken und kurz im Hintergrund fies zu lachen. Wenn dann Lea singt: »Weil ein Traum in mir lacht«, lacht er noch lauter. So wie in diesem alten Michael-Jackson-Song. Das klingt echt cool. Als ich nach Hause fahre, habe ich die ganze Zeit dieses Lachen und die schnackenden Basssaiten im Ohr. Einfach perfekt. Am liebsten würde ich in den Song reinkriechen. Die Musik aufsaugen. Damit es in mir pulsiert und schallt. Damit ich meine Haut mal wieder von innen spüre.
     
    Meine Mutter schickt mich als Erstes unter die Dusche. Wahrscheinlich hat sie nicht unrecht. Wir haben ganz schön geölt im Probenraum und ich hatte die ganze Zeit einen Pulli unter meinem Shirt an. Unter der Dusche leuchten die roten Streifen auf meinem Unterarm geradezu grell. Die älteren sind schon dunkler. Die ganz alten nur noch blasse rosa Striche. Ich muss aufhören mit dem Scheiß. Ich will mal wieder nur in Badehose schwimmen.
     
    In meinem Zimmer ziehe ich - noch nackt - die Schublade auf. Suche das Teppichmesser. Das muss weg. So was Albernes machen doch nur pubertierende und hysterische Girlies, um Mama und Papa zu schocken. Mir fällt das
Bild in die Hände. Das zerschnittene von Philipp und mir. Ich lache ihn laut an.
    »Tja, Phil, da staunst du, was? Unsere Band ist der Hammer. Hast du wahrscheinlich nie dran geglaubt. Wer weiß, vielleicht hast du dich ja heimlich über mich lustig gemacht, was, Alter? Tja, Pech gehabt. Tschüsikowsi.«
    Ich zerknüll die Teile in der Hand und werfe sie zurück in die Schublade. Die Autos klirren erschrocken an der Fensterscheibe. Kurzerhand nehm ich den Kleine-Jungen-Scheiß ab und werfe die zerbeulten Karren in den Müll. Hoffentlich hat Lea sie nicht gesehen, als sie hier war. Die wirkt nicht so, als hätte sie ein lustiges Barbie-Mobile vor ihrem Fenster baumeln.
     
    Für die nächste »Mode-und-mehr«-Stunde habe ich einen Sack voller Percussion-Geräte dabei. Wir starten einen Probelauf. Die Mädchen sollen mit ihren Kreationen über die Aula-Bühne latschen. Und zwar in meinem Takt. Manchmal mache ich mir einen Spaß und werde immer schneller. Das sieht dann so aus, als würde man einen Film immer schneller und schneller abspielen. Oder ich bringe mal einen kleinen Zwischentakt ein. Jenny kommt dabei echt ins Stolpern. Es sieht zum Schreien aus. Finde ich zumindest. Die andern leider nicht. Schade eigentlich.
     
    Ich gehe mal wieder zum Hockey-Training. Nicht nur, weil ich muss. Ich habe irgendwie Bock drauf. Mal wieder richtig rennen und kämpfen. Und treffen. Am Ende muss ich würgen. Ich bin so viel gerannt, dass sich mein Magen auf links drehen will. Und ich habe sage und schreibe drei Mal
den Ball gekriegt. Drei Mal! Ein Pass war noch nicht mal für mich. Ich könnte mich genauso gut zur Leichtathletik anmelden und 5000 Meter mit einem Schläger in der Hand um den Platz rennen. Ich spiele in einer Mannschaft, die nicht mit mir spielt. In der Kabine stelle ich mich ganz dicht vor Manuel, der sich neben mir aus seiner Hose schält.
    »Kannst du mich sehen?«
    »Klar«, sagt Manuel.
    »Und warum siehst du mich nicht, wenn ich völlig allein vorm Tor steh und auf den Pass warte?«
    Er guckt hilfesuchend die andern an. Ich versperre ihm die Sicht. Irgendwann drehe ich mich weg und packe meine Sachen. Am liebsten würde ich mit meinem Hockeyschläger um mich hauen. Wie mit einer riesigen Machete.
    »Blind und stumm. Ich wusste gar nicht, dass das eine Behindertensporttruppe ist. Dann noch ein schönes Restleben.«
    Ich hatte eigentlich gedacht, dass irgendjemand darauf was sagt. Ich warte noch eine Sekunde, ehe ich die Tür knalle. Hier war ich garantiert das letzte Mal. Schon kurz vor unserer Haustür fange ich an zu humpeln. Um mich daran zu gewöhnen. Meine Mutter steht sofort auf, als ich in den Garten komme.
    »Was ist denn mit dir passiert?«
    Ich lasse mich auf einen Stuhl fallen.
    »Scheiß Manuel. Hat mir mit seinem Schläger voll vor den Knöchel gezimmert. Ich dachte, mein Fuß fällt ab.«
    »Zeig mal.«
    »Ist kein Zeiger dran.«

    Meine Mutter hat schon ihren Arztblick drauf. Schließlich hat sie ja mal Medizin studiert.
    »Her damit. Schuh aus, Socken aus.«
    »Echt, Mama, man sieht nichts. Ist noch nicht mal blau oder so. Das hat eher so im Knöchel geknackt.«
    Ihr Blick ist ein einziges Fragezeichen.
    »Hat das Manuel extra gemacht? Ich glaube, ich rufe mal heute Abend den Trainer an.«
    »Quatsch. Manuel ist viel zu blöd, um

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