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Schmerzverliebt

Schmerzverliebt

Titel: Schmerzverliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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auch stets vorsichtig. Ich verletze mich nicht in Anwesenheit anderer Menschen, wähle bewusst leicht bedeckbare Körperteile aus und sorge vor allem dafür, dass die Wunden nicht genäht werden müssen.

8 Sebastian
    Zuerst räumt er sein Zimmer auf, Pia soll ja einen guten Eindruck von ihm haben. Dann jedoch, er ist gerade mit dem Staubsaugen fertig, kommt ihm der Gedanke, dass sie ganz saubere und aufgeräumte Zimmer vielleicht gar nicht mag. Er stellt sich vor, wie sie mit ihren Fingern nervös ihre langen Haare zerzaust, denkt an ihre Angewohnheit, träumend in die Luft zu gucken, ihre Schnapsidee, mit ihm nach Süden zu trampen – diese Eigenschaften veranlassen ihn eher zu glauben, dass sie selbst auch ein chaotisches Zimmer hat.
    Daher fegt er die Hefte und Bücher, die er eben korrekt auf dem Schreibtisch angeordnet hat, mit einer Armbewegung auf den Teppichboden und häuft sie dann kreuz und quer auf, so dass er gleich ein bisschen wird suchen müssen. Die dreckigen Socken allerdings sollte er wohl doch lieber im Wäschekorb lassen, oder? Und die Musik? Was hat sie wohl für einen Geschmack?
    Tanzen tut sie gern. Aber zum Lernen braucht man etwas Ruhiges, das im Hintergrund plätschert. Er sucht in seinen CDs, findet die, auf der zufällig das Lied ist, zu dem Pia auf der Party beinahe mit ihm getanzt hätte, und drückt die Repeat-Taste. Wenn sie will, wird er es ihr in Endlosschleife vorspielen.
    Was ist denn mit ihm los, er tanzt ja schon selbst durch sein Zimmer! Das hat er noch nie gemacht!

9 Pia
    Kramers wohnen ganz anders als wir. Kein Bauerngärtchen vor dem Bungalow, keine blau gestrichenen Fensterläden, kein selbst getöpfertes Klingelschild, auf dem alle Familienmitglieder mit Vornamen verzeichnet sind. Ein weißer Neubau mit einem Bewegungsmelder, der sogar bei grellstem Sonnenschein anspringt, vorm Eingang Kieselsteine und eine einzige vertrocknete Geranie. Die Türklingel hört sich an wie der Gong in der Schule.
    Zunächst tut sich nichts. Ich stehe unschlüssig in der Hitze, presse meine Mappe an die Brust und spüre mein Herz darunter schlagen. Warum bin ich denn auf einmal so aufgeregt? Nach der Party war ich es doch auch nicht.
    Ich klingele noch mal. Wieder der nervtötende Gong. Plötzlich sehne ich mich nach dem Vogelgezwitscher unserer Türklingel, nach dem Duft der Kräuter auf dem Fensterbrett vor der Küche und nach unseren Katzen, die uns früher immer schnurrend begrüßten.
    Ich will gerade wieder gehen, da öffnet Sebastian die Tür.
    »Sorry«, schnauft er außer Atem, »wartest du schon lange? Ich hab in meinem Zimmer Musik an, da höre ich nichts.«
    »Mm … geht so.«
    »Gut, dass ich wenigstens aus dem Fenster geguckt hab, ich hab nämlich schon auf dich gewartet, sehnsüchtig sozusagen«, er lächelt, macht einen Schritt auf mich zu. »Hallo erst mal«, flüstert er und drückt mir einen scheuen Kuss auf den Mund.
    »Ha-hallo«, stammele ich.
    »Nanu? Bist du heute auch schüchtern?«
    »Ja, irgendwie schon …«
    Er lacht. »So kenne ich dich ja gar nicht.«
    Ich gebe mir einen Ruck und schubse ihn spielerisch in den Flur hinein. »Du kennst noch recht wenig von mir«, sage ich keck, und er grinst.
    »Das stimmt.« Sebastian ergreift meine Hände, und einen Moment sieht es so aus, als wollten wir uns gleich hier um den Hals fallen. Doch den Mut haben wir beide nicht.
    »Möchtest du was Kaltes trinken?«
    »Ja, gerne.«
    »Cola, Wasser, Eistee, Saft …«
    »Habt ihr so viel Auswahl?«
    »Sicher. Ich hab extra für dich Erdbeereis besorgt. Magst du ein Schälchen?«
    Ohne meine Hände loszulassen, läuft er vorweg und ich werfe einen ersten Blick in das Innere des Hauses. Sieht ziemlich nobel aus: groß, viel Glas, Wintergarten, offener Kamin, Designermöbel, abstrakte Bilder an den Wänden. In einer lichtdurchfluteten Küche mit Herd in der Mitte bleibt Sebastian vor einem überdimensionalen Kühlschrank stehen und klappt ihn auf.
    »Das ist der Ort meines täglichen Scheiterns«, er hält meine Hände immer noch fest und schlingt sie sich samt Armen um den Bauch. Dabei berührt er meine Verletzungen, und die, die noch nicht richtig verheilt sind, zwicken.
    »Ich möchte nur ein Glas Wasser.«
    »Nur? Echt? Kein Eis?«
    Er dreht seinen Kopf über die Schulter zu mir um. Sein Gesicht ist ganz nah.
    »Wir können uns ja nachher eins gönnen, wenn wir den blöden Französisch-Kram hinter uns haben«, sage ich und spüre auf einmal, wie ich unter seinen Blicken

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