Schmerzverliebt
Herzklopfen bekomme, Hilfe, woran liegt das bloß, ich bin doch sonst recht locker.
»Na gut. Wenn du vernünftig bist, dann will ich es auch mal sein. Ich hab mir sowieso überlegt, ein bisschen abzunehmen.«
»Wirklich?«
»Ja!« Es klingt stolz.
»Warum?«
»Weil ich dir eine Freude machen will.«
»Mir?« Ich komme aus dem Staunen nicht heraus.
Sebastian hat sich jetzt ganz zu mir umgedreht, sein Körper drückt gegen meinen. »Natürlich dir, Pia. Wem denn sonst?«
Ich mache ein Hohlkreuz, brauche Abstand. »Ja«, stammele ich, »aber ich dachte, du machst nicht, was andere von dir verlangen?«
»Das tue ich auch nicht.« Er lässt mich los, seine Hände gleiten über meine Schultern, meine Arme, gleiten über die Schnittwunden, die gut versteckt unter Pflastern und Pullover schlummern, bis sie sich schließlich in meinen Fingern verhaken. »Du hast nämlich nichts von mir verlangt. Vielleicht kommt dir das jetzt alles zu schnell vor, Pia, vielleicht komme ich dir viel zu nahe, dann sag’s mir, denn das will ich nicht, ich will dich nicht verschlingen, obwohl mir eigentlich sehr danach ist …« Er lacht nervös, schüttelt den Kopf, lässt mich los. »Weißt du, du bist das erste Mädchen, das sich für mich interessiert, das mich mag, obwohl ich nicht gut aussehe, und als du heute vor deinen Freundinnen zu mir gestanden hast, vor diesen Tussis, die dich jetzt bestimmt alle auslachen, da … Pia, da war das für mich der beste Augenblick meines Lebens, echt.« Sebastian atmet hörbar aus.
Ich schweige und sehe ihn nicht an, weil ich befürchte, dass ich gleich weinen muss. Schon kribbeln meine Augen. Aber es gibt doch gar keinen Grund! »Hör auf zu weinen, Püppi«, rät die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf. »Davon kriegst du nur Falten und wirst später mal ganz hässlich.«
Ich grabe meine Finger in die Handinnenflächen, das soll helfen, aber es hilft nicht, denn die Nägel sind nicht scharf genug und der Schmerz minimal. Gleich fließen die Tränen. Ich will aber nicht hässlich werden. Ich will Sebastian einen schönen Anblick bieten. Und ich muss endlich lernen, mich zusammenzunehmen!
»Pia?« Sebastian ist verunsichert. »Pia, hab ich was falsch gemacht? Hätte ich das nicht sagen sollen? Hätte ich dich nicht anfassen sollen?«
»Nein! Doch!« Ich kuschele mich an ihn, und er legt einen Arm um mich, drückt Küsse auf mein Haar.
»Ich weiß nicht so recht, was ich machen soll …«
»Mach einfach so weiter«, sage ich in den duftenden Stoff seines T-Shirts hinein, schließe die Augen, spüre seine Körperwärme, versuche ruhig zu werden. »Es ist alles in Ordnung. Ich war nur so … gerührt.«
Dann sitzen wir nebeneinander am Schreibtisch in seinem Zimmer und pauken geschlagene drei Stunden französische Grammatik.
»Ich glaub, jetzt reicht’s«, sagt Sebastian irgendwann, »das schaffst du morgen ganz bestimmt. Erstens hast du sowieso Sprachgefühl und die neuen Regeln hast du doch jetzt auch verstanden. Du kannst dir ja heute Abend noch mal die Vokabeln angucken.«
»Ist das Hausaufgabe?«
Er grinst. »Genau. Krieg ich jetzt mein Eis?«
»Na gut. Ausnahmsweise. Weil du so ein guter Lehrer warst!«
Wir lachen, stehen auf.
»Danke für deine Hilfe.«
Ich lege meine Lippen auf seine. Er streichelt mein Gesicht. Ich sehe ihn an. Es ist aufregender als am Freitag. Geknutscht habe ich schon mit einigen Jungs. Wie man’s halt so macht, in der Disco, im Urlaub in Italien. Es war gut und okay, aber es war nie so echt. Vielleicht weil außer Lukas nie einer dabei war, der mir wirklich etwas bedeutet hat, den ich hätte wiedersehen wollen.
Sebastian öffnet den Mund. Ich schließe die Augen, und während er mich küsst, während dieser wunderbaren Verschlingung und bisher innigsten Umarmung, habe ich das Gefühl, als stürze ich durch den Nachthimmel, eine fallende Artistin am Trapez zwischen den Sternen, er mein Partner, der mich im richtigen Moment auffängt.
»Das ist noch viel besser als das Eis.«
Sebastian flüstert in mein Ohr, küsst meinen Hals und schiebt mich durch das Zimmer. Seine Bettkante drückt in meine Wade, als die Tür geöffnet wird.
»Hallo! Oh Entschuldigung! Ich wusste nicht, dass du Besuch hast«, sagt Sebastians Vater überrascht.
»Papa, das ist meine Freundin Pia!«
»Tag, Pia! Äh, Sebastian, ich wollte dir nur sagen, ich gehe für ein Stündchen ins Fitness-Studio. Ach, und wenn dieser Spaßvogel wieder anruft, melden wir es der Polizei. Ich
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