Schmerzverliebt
gesagt, schwer.«
Er sieht sie an. Sie hat den Kopf gehoben und sich die Tränen aus dem Gesicht gewischt. Sie sieht gefasster aus, lächelt sogar ein bisschen.
»Es stimmt auch nicht.« Ihre Augen füllen sich wieder mit Tränen.
Sebastian schluckt. Die Situation wird ihm langsam unangenehm, er spürt, dass irgendwas in der Luft liegt, eigentlich will er weg, sich abkühlen, duschen, klar denken.
»Pia, du musst mir nicht sagen, was los war. Es geht mich ja auch gar nichts an. Ich wollte nur noch mal mit dir reden. Ich wollte es von dir selbst hören, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst.«
Sie senkt den Kopf, erzählt leise vom Verschwinden ihrer Katzen vor einem Jahr.
»Aber damit hab ich doch nichts zu tun!«
»Nein. Aber dein Vater macht Tierversuche. Und für solche sind meine Katzen bestimmt eingefangen worden …«
»Mag sein. Du warst aber mit mir zusammen und nicht mit meinem Vater! Du hättest mich also wenigstens nach meiner Meinung fragen können! Du bist doch auch nicht mit allem einverstanden, was deine Eltern machen, oder?« Sebastian steht auf. Er will dieses Gespräch nicht verderben, aber seine Enttäuschung ist einfach zu groß. »Ich hab gedacht, ich würde dir was bedeuten. Du fällst über mich her, küsst mich, ich verlieb mich in dich und dann lässt du mich hängen! Nur weil mein Vater einen Beruf hat, den du nicht gut findest. Deshalb trennst du dich von mir !«
17 Pia
»Bitte, Sebastian, bleib noch! Geh noch nicht! Hey!«
Er antwortet nicht, bleibt aber zumindest stehen.
»Bist du wirklich noch mein Freund?«
Die Frage ist peinlich und blöd, aber ich kann nicht anders, ich muss sie ihm stellen.
»Weiß nicht. Vielleicht.« Sebastian streckt mir die Hand hin.
Ich nehme sie und er zieht mich hoch.
»Wenn du mich noch zum Freund haben willst«, sagt er.
»Ich glaub schon.«
»Du glaubst es«, wiederholt er.
»Ja.«
»Sicher bist du dir nicht?«
»Du dir doch auch nicht«, kontere ich und weiß dabei genau, wie sicher ich mir bin. Ich liebe ihn. Aber das kann ich ihm jetzt nicht sagen. »Wollen wir uns noch einmal treffen? Ich bin heute Nachmittag in meinem Übungsraum im alten Bahnhof.«
»Ausgerechnet!«
»Ja. Noch ist es mein Platz. Wenn du also kommen willst. Ab vier bin ich in der alten Schalterhalle.«
Sebastian dreht sich um, geht über den Steg zurück zu seinem Rad, steigt auf und fährt davon. Ich schiebe mit dem Fuß die letzten Haare vom Steg ins Wasser. Dann nehme ich meine Schultasche, hole das Portemonnaie heraus und zähle mein Geld. Für einen Besuch beim Friseur müsste es gerade noch reichen.
»Wo haben Sie das denn machen lassen?«, fragt die Friseurin, greift mit spitzen Fingern in meine Haare, hebt sie fast angewidert hoch und lässt sie wieder fallen. »Was soll denn das für ein Schnitt sein?«
»Deshalb komme ich ja zu Ihnen, damit Sie mich wieder herrichten«, sage ich schnell und vertiefe mich in eine Zeitschrift. Mir ist noch ein bisschen flau, aber ich bin erleichtert, dass Sebastian zumindest nicht mehr sauer ist. Er ist noch mein Freund. Beim Gedanken an diesen Satz spüre ich, wie mir die Röte ins Gesicht steigt.
Die Friseurin hält in ihrer Arbeit inne. »Was ist das denn?«, fragt sie und zeigt auf mein Ohrläppchen. »Hören Sie, junge Frau, das war aber schon. Ich hab Ihnen da nicht ins Ohr geschnitten.«
»Ja, ich weiß«, sage ich schnell und verlegen, in der Hoffnung, die Sache wäre damit erledigt. Aber statt ihr Werk zu beginnen, stemmt die Friseurin nun die Hände in die Hüften und blickt mich durch den Spiegel so auffordernd an, dass ich schließlich die Illustrierte zuklappe.
»Was ist denn?«
»Bist du überfallen worden?« Offenbar scheint es ihr sinnvoll, bei so einer intimen Frage erst mal ins Du zu wechseln.
»Nein, wieso?«
»Schnitte am Ohr und auch hier an der Backe, dann diese Frisur, das ist doch nicht normal. Sag, war das ein Perverser?«
»Äh …«
Die Omas links neben mir drehen sich unter ihren Dauerwellehauben zu mir herüber. Die junge Frau mit dem Kind, die nach mir hereingekommen ist, macht dem kleinen Mädchen ein Zeichen, still zu sein, um auch ja meine Antwort mitzubekommen.
»Da muss man doch drüber reden!«, ermutigt mich die Friseurin mütterlich und beugt sich so weit zu mir herunter, dass ich die Achselhaare unter ihrer geblümten Bluse sehen kann.
»Nein, ich …«, stammele ich hilflos.
»Du bist doch die Pia, nicht? Ich bin Marlies Lindmann, ich kenne deine Mutter noch
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