Schmerzverliebt
drin ist es sehr duster, die neuen Wunden sind geschlossen und sehen in dem mickrigen Licht auch nur noch halb so wild aus. Wenn Sebastian sie bemerkt, sage ich einfach, sie stammten von Rosendornen, das wird er schon glauben.
»Na dann …« Er fährt mit dem Zeigefinger die Innenseite meines Unterarms herauf.
»Dann was?«
»Dann vertragen wir uns also wieder.«
»Ja.«
Er zögert noch immer.
»Wollen wir uns setzen?«, frage ich und zeige auf meine Turnmatte.
Sebastian nickt. Ich nehme ihn an der Hand, wir gehen hinüber, setzen uns und küssen uns augenblicklich.
Wir werden es tun.
Sebastian liegt dicht neben mir. Seine Hand ist unter mein T-Shirt gerutscht und streichelt meinen Rücken. Überall, wo sie mich berührt, hinterlässt sie hochgestellte Härchen und ein wohliges Vibrieren.
Unsere Beine sind ineinander verschlungen, ich spüre die Wärme seines Körpers, die zunehmende Heftigkeit seiner Küsse, seine Bartstoppeln, die über meine Gesicht reiben.
Ich weiß, dass wir es tun werden, und ich will es.
»Puh, ist mir warm!« Ich richte mich auf, greife nach der Wasserflasche, trinke einen Schluck, reiche sie ihm.
»Danke.« Während er trinkt, steckt er sich den halben Flaschenhals in den Mund. Ich muss grinsen. Das sieht meinem Süßen ähnlich: pummelig, schüchtern und nicht mal richtig trinken können, aber so lieb. Ich zwinkere ihm zu und streife mir mein T-Shirt über den Kopf.
Sebastian guckt. Ein Tropfen Sprudelwasser läuft ihm das Kinn herunter, er merkt es nicht mal.
»Wenn jemand kommt …«
Ich lache auf. »Was dann?«
»Na ja.« Sein Gesicht ist rot, und ich find’s wahnsinnig knuffig, wie scheu er ist. Jetzt streckt er einen Finger aus und streicht mit der Kuppe vorsichtig über die Spitze meines BHs.
»Das kitzelt«, flüstere ich.
»Ach, ja?«
»Jaaa!«
»Pia?« Er öffnet den Mund, will etwas fragen, traut sich nicht, senkt den Kopf. »Pia, hast du … hast du schon mal mit jemandem geschlafen?«
»Ja. Ein Mal. Und du?«
»Nein!« Er schüttelt den Kopf. »Und das eine Mal, mit wem war das?«
»Ach, ist doch egal.«
»Hast Recht. Ist vielleicht besser, wenn ich’s nicht weiß. War’s denn schön?«
»Ja, schon.«
»Hm.«
»Hey!« Ich trete ihn ein bisschen mit dem Fuß. »Warum willst du immer so viel wissen?«
»Das will man doch, wenn man sich lieb hat, oder nicht?«
»Hast du mich denn lieb?«
»Hab ich.« Er legt seinen Kopf an meinen Bauch und ich kraule sein Haar.
Ich spüre seinen Atem, seine Wärme an meinem Bauch. Er hat sich zusammengerollt wie ein Katze, die sich bei mir anschmiegen will, die sich sicher und geborgen fühlt bei mir. Und die mir dadurch das Gefühl gibt, auch selbst geborgen und wichtig zu sein.
Ich atme tief ein, als wollte ich den Moment einsaugen und festhalten.
In der alten Schalterhalle ist es nun still, die Musikkassette im Rekorder ist abgelaufen. Ich kann die Spatzenkinder in ihrem Nest piepen und Sebastian atmen hören. Alles ist schön.
Plötzlich ist mir schlecht vor Glück und gleichzeitig vor Angst, ich könnte das alles verlieren. Sebastian könnte beim Segeln ertrinken, meine Eltern könnten krank werden. Ein Abgrund bricht auf – und ist dann so schnell wieder verschwunden, wie er sich aufgetan hatte, denn Sebastian holt mich in die Wirklichkeit zurück. Er hakt den Verschluss meines BHs auf. Seine Hände gleiten langsam zu meinen Schultern, schieben mir die Träger hinunter. Unsere Blicke begegnen sich, saugen sich aneinander fest.
Dann berühren seine warmen Hände meine nackte Haut, ich quieke auf, er küsst mich, sagt, dass ich schön sei, und ich fühle mich schön, das ist unglaublich, und als er sagt, dass er mich liebt, liebe ich mich tatsächlich auch. Ich bin ganz hin und weg von ihm, ich will ihn, und ich will, dass er mir meine Shorts auszieht, ich will, dass er mich berührt und sich auf mich rollt, will seinen ganzen Körper spüren.
»Wirklich?«
»Ja.«
»Und, äh …«
»Ich hab welche in meinem Portemonnaie.«
»Echt?«
»Klar. Moderne Frau.«
»Ich glaub’s nicht!«
»Natürlich. Guck nach!«
»Du bist vielleicht eine!«
»Wieso? Was für eine?«
»Eine, die man nur ein Mal findet.«
Ich lache. »Das ist doch jeder Mensch!«
Er legt seine Hände in meine, breitet die Arme aus, legt seinen Mund auf meinen, flüstert: »Ich könnte schreien vor Glück. Soll ich mal? Soll ich mal ganz laut schreien?«
»Ich weiß nicht. Und wenn uns jemand hört?«
Er kichert. »Sonst ist dir
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