Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmerzverliebt

Schmerzverliebt

Titel: Schmerzverliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
Vom Netzwerk:
Vater sein? Ich habe ihm doch gar keine Gelegenheit gegeben, mir zu zeigen, wie er ist. Statt offen mit ihm zu reden, habe ich feige das Handy ausgestellt und schließlich Benne vorgeschickt.
    Ich blicke auf mein Gesicht, das sich in der Schaufensterscheibe spiegelt. Mag es nicht ansehen.
    So, wie Sebastian es nicht verdient hat, dass ich ihn so hart auflaufen lasse, habe ich seine Zuneigung nicht verdient.
    »Möchtet ihr noch was?«, fragt die Kioskbesitzerin freundlich. »Ich mache jetzt nämlich zu.«
    Conny und Benne knutschen und geben keine Antwort. Ich sehe die Verkäuferin an. Sie hat ein rosiges, rundes Gesicht, ist die Mutter irgendeines Schülers und immer nett zu allen.
    »Na?«, fragt sie mich. »Kann ich noch was für dich tun? Du siehst so traurig aus.«
    »Ja«, antworte ich und würde am liebsten hinzufügen: »Könnten Sie mich nicht in den Arm nehmen und drücken?« Stattdessen sage ich: »Ich möchte eine von den bunten Scheren.«
    Nach Schulschluss kann ich mein Vorhaben endlich umsetzen. Zielstrebig gehe ich durch das Wäldchen auf den Angelteich zu. Die Schultasche schlägt mir an ihrem langen Trageriemen gegen die Beine, die Kinderschere habe ich herausgenommen und lasse sie locker am Zeigefinger baumeln wie ein Cowboy seinen Revolver kurz vor dem entscheidenden Duell. Fast beschwingt betrete ich den schwankenden Steg. Der Druck, der den ganzen Morgen in mir angewachsen ist, wird gleich weichen. Rettung ist nah und der Plan ist konsequent. Ich habe Sebastian meine Freundschaft aufgekündigt. Das war falsch und ich bereue es sehr. Also nehme ich mir auch etwas, das mir wichtig ist: Meine Chancen beim Casting!
    Ich wiege die Schere in meiner Hand. Sie ist für die Bastelarbeiten von Kleinkindern gemacht, nicht für die Verstümmelungsaktionen von Verrückten. Aber meine wunderschöne Haarmähne abschneiden wird man damit wohl können. Ich hole tief Luft, hebe die Schere und lasse sie durch mein Haar klappern.

16 Sebastian
    »Pia?« Er flüstert, aus Angst, sie zu erschrecken. Aber nicht sie erschrickt sich, sondern er. Ist sie das überhaupt?
    Das scheint nicht das Mädchen zu sein, das er kennt. Ihre Haare stehen zerzaust vom Kopf ab, sind ganz kurz geschnitten, aber völlig unregelmäßig, und ihr Gesicht ist verschmiert von Make-up und Tränen.
    »Pia?«, sagt er noch mal.
    »Hau ab!«
    »Lass mich wenigstens einmal mit dir reden.«
    Deshalb ist er hierher gekommen. Die ganze Schule hat hitzefrei bekommen. Er hat nach ihr gesucht und sie schließlich hier am Angelteich gefunden. Das hat ihm Mut gemacht. Hier, wo sie so viel Schönes erlebt haben, werden sie ungestört miteinander reden können. Hat er gedacht.
    Pia hat sich wieder von ihm abgewandt. Er wartet, weiß nicht, was er tun soll, fühlt den Schweiß, der ihm die Stirn herunterläuft, riecht den modrigen Geruch des Teiches, hört das Rätschen der Eichelhäher in den Bäumen.
    Pia schluchzt.
    »Hey«, sagt er vorsichtig und wagt einen Schritt zu ihr hin. »Geht’s dir nicht gut? Was ist mit dir?«
    »Du sollst abhauen! Raffst du das nicht?« Ihr Oberkörper zuckt heftig vor und zurück. Sie schreit: »Verschwinde! Ich will dich nicht mehr sehen!«
    Er will weglaufen, sich nie wieder an sie erinnern und gleichzeitig will er es auch wieder nicht.
    »Pia.« Er flüstert, tritt zu ihr heran, geht in die Hocke und legt ihr eine Hand auf die Schulter. Er erwartet, dass sie ihn wegstößt, und stützt sich sicherheitshalber mit der anderen Hand ab, aber sie schubst ihn nicht weg, sondern rollt sich zusammen wie ein Igel.
    »Bitte, geh und lass mich in Ruhe!«
    »Was ist mit deinen Haaren passiert?«
    Sie gibt keine Anwort.
    »Pia, was ist passiert? Was hast du gemacht?«
    Er wagt es, mit beiden Händen ganz leicht ihre Schultern zu massieren. »Pia, ich bin immer noch dein Freund.« Er spürt, wie sie unter diesen Worten zusammenzuckt.
    »Sebastian«, sagt sie leise, wendet sich dann ruckartig um und kuschelt sich an ihn. Schließlich sagt sie: »Ich wollte mir die Haare kurz schneiden, für das Casting am nächsten Freitag, ich möchte Aufmerksamkeit erregen, du weißt schon, man muss die Blicke auf sich ziehen, und ich hab gehört, dass selbst geschnittene Haare jetzt voll im Trend sind. Nur ist das wohl etwas schief gelaufen und …«
    Er blickt auf den See, denkt an die seltsame Geschichte mit den Wespen, an die Peperoni und schweigt.
    »Du glaubst mir nicht?«, fragt sie schließlich.
    »Ich weiß nicht. Es fällt mir, ehrlich

Weitere Kostenlose Bücher