Schmerzverliebt
sagen, dass ich’s wunderschön fand, heute Nachmittag.«
Ich nicke, kuschele mich an ihn. Er lässt seine Hand unter mein T-Shirt gleiten, streichelt meine Brüste. Ich schließe die Augen. Es ist angenehm, natürlich, aber im Gegensatz zu heute Nachmittag finde ich keine Ruhe, kann es nicht genießen.
»Hör mal, ich muss dir was sagen«, beginne ich.
»Mmh, ich auch. Ich könnt’s gleich noch mal machen.«
»Das meinte ich nicht.« Ich schiebe ihn sanft von mir, schlinge die Arme um meinen Körper. »Sebastian, es ist wichtig.«
Er stutzt. »Was mit uns?«
»Nicht direkt.« Ich blicke ihm ins Gesicht. »Du musst mir auf jeden Fall versprechen, es für dich zu behalten.«
»Ja.« Sebastian fährt sich durch die Haare. »Ich verspreche es.«
»Und du darfst auf keinen Fall lachen.«
»Ich lache nicht.«
»Und du erzählst es wirklich niemandem?«
Er nimmt meine Hand. »Pia, worum geht’s? Du tust ja fast so, als hättest du einen umgebracht.«
»Und wenn ich das hätte oder vorgehabt hätte?«
»Aber das hast du doch nicht.«
»Versprich’s mir erst!«
»Das hab ich doch schon. Na gut.« Er seufzt, zögert einen Moment. »Versprochen«, sagt er langsam.
»Das gilt auch noch, wenn wir vielleicht irgendwann nicht mehr zusammen sind!«
»Na, das will ich doch nicht hoffen!« Er versucht einen Spaß zu machen, will mich küssen, aber es gelingt ihm nicht recht, ich sitze ganz steif da und antworte nicht, denn das Sprechen fällt mir plötzlich schwer. Ich stecke mir zwei Finger in den Mund, beiße darauf. Ich muss es ihm sagen, ihm oder keinem, jetzt oder nie. Ich halte es nicht mehr aus. Ich habe Angst. Ich brauche jemanden. Sebastian könnte mir vielleicht helfen.
»Mit mir stimmt was nicht.«
Ich sage es so leise, dass er es fast nicht hört. Jedes Wort tut weh, jedes Wort verlangt nach Schmerz, verlangt nach Bestrafung für diese Ungeheuerlichkeit, die ich gesagt habe und die zu allem Unglück auch noch stimmt.
Sebastian lacht erleichtert. »Hey! Du spinnst ja! Mit dir stimmt alles.« Er küsst mich zärtlich auf den Hals. »Absolut alles«, wiederholt er.
»Eben nicht«, sage ich leise und sehe ihn flehentlich an. Ich wünschte, er würde mich verstehen, ohne dass ich es aussprechen muss.
»Ich weiß nicht, was du meinst, Pia«, sagt er. »Ich finde dich hübsch, ich finde dich nett, ich mag dich, ich liebe dich, ich … ich seh keine Probleme.«
»Da! Und was ist das?« Ich schiebe die Ärmel meines Pullovers hoch.
Hier im normal beleuchteten Raum sind alle Narben deutlich zu sehen.
Er blickt darauf, verständnislos. »Was meinst du? Die Kratzer von den Dornen? Du hast doch gesagt, ihr habt im Komposthaufen gewühlt.«
»War gelogen.«
»Wie?«
»Hab ich nur so gesagt.«
Er schweigt. Ich kann sehen, wie er angestrengt versucht, zu verstehen, was ich ihm sagen will.
»Wie sind die Kratzer denn dahingekommen?«, fragt er schließlich.
»Reingeritzt mit einer Rasierklinge.«
»Was?« Er wird blass, weicht meinem Blick aus. Sein Zeigefinger streicht ungläubig über meine Narben. »Wer hat das gemacht?«
»Ich«, sage ich und kann nicht verhehlen, dass ich insgeheim mächtig stolz darauf bin. Ich habe so was geschafft, ich habe die natürliche Barriere überwunden, ich habe ohne Not in meine Haut geschnitten, das ist eine Leistung.
Sebastian sagt lange nichts. Er sieht mich auch nicht an. Nur sein Zeigefinger fährt immer wieder die weißen und rötlichen Linien in meiner Haut entlang, so, als könne er dadurch ihre Bedeutung verstehen.
»Aber warum denn?«
»Es passiert einfach so. Ich brauche es.«
Er schüttelt den Kopf. »Das muss doch wehtun!«
»Ja und!«, sage ich schroff und ziehe den Arm weg.
Sebastian sieht mich an. Er macht ein Gesicht, als sähe er mich zum ersten Mal. »Heute Mittag … das mit deinen Haaren, war das auch so was?«
»So was Ähnliches.«
»Dann machst du das öfter?«
Ich schweige. Was sollen diese Fragen? Ich will, dass er mich auffängt, nicht, dass er mich ausquetscht. Das geht ihn doch alles nichts an! Das hat alles nichts mit ihm zu tun! Es ist mein Körper, nicht seiner.
»Kann ich dir irgendwie helfen?«
»Weiß ich nicht«, sage ich ehrlich.
»Ich möchte es gern.«
Ich spüre, dass meine Augen zu prickeln beginnen. Wenn er so lieb ist, rührt mich das immer. Ich kann nichts dagegen tun.
»Pia, ich hab dich so gern!«
Er nimmt mich in die Arme und ich lasse mich wiegen und trösten und küssen. Ich lasse zu, dass ich weine,
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