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Schmerzverliebt

Schmerzverliebt

Titel: Schmerzverliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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vielleicht weint er auch, jedenfalls glaube ich, dass er nahe dran ist. Auf einmal bin ich sehr erleichtert, es ihm gesagt zu haben.

18 Sebastian
    Als er sein Fahrrad aus der Garageneinfahrt holt, merkt er, dass sie ihm wieder einen Streich gespielt haben.
    »Verdammt noch mal!«, flucht er und spürt Ekel in sich aufsteigen. Diesmal haben sie ihm eine echte tote Maus an den Lenker gehängt.
    »Warte, ich schneid sie ab«, sagt Pia.
    Sie holt ihr Portemonnaie heraus und befördert eine Rasierklinge zu Tage. Er weiß nicht, was ihn mehr entsetzt. Ist er umgeben von Wahnsinnigen?
    Mit einem Schnitt trennt sie die kleine Leiche ab und steckt sie mit spitzen Fingern in die Mülltonne.
    »Kann ich mir irgendwo die Hände waschen?«
    »Ja. Am Gartenschlauch.«
    Er sieht fast apathisch zu, wie sie sich wäscht, dann wieder zu ihm kommt und ihre kalten, nassen Hände an seinen Hals legt.
    »Hey. Ärgere dich nicht.« Sie küsst ihn auf den Mund.
    »Das tue ich aber!«
    Er gibt sich einen Ruck, macht sich von ihr los und bückt sich nach der Rasierklinge, die sie neben dem Wasserschlauch auf den Boden gelegt hat.
    »Machst du’s hiermit?«
    Keine Antwort. Sie will nicht darüber reden.
    »Dann werfen wir das verfluchte Ding jetzt weg!«
    »Hey!«
    Er achtet nicht auf ihren Protest. »Hier in den Gulli damit!«
    »Sebastian«, sie nähert sich langsam, flüstert in sein Ohr, »ich brauch die.«
    »Jetzt nicht mehr. Jetzt hast du doch mich!«
    »Schon.« Sie macht ein unglückliches Gesicht.
    »Pia, du willst doch, dass ich dir helfe, oder?«
    Er sieht sie an, sie zögert, nickt dann.
    »Ja. Sicher.«
    »Dann wirf das hier in den Gulli. Bitte! Ich kann nicht schlafen, wenn ich weiß, dass du so ein Ding mit dir rumschleppst und jeden Moment anfangen könntest, dich damit zu verletzen.«
    Er sieht, dass sie sich schämt.
    »Okay. Gib her!« Pia nimmt die Rasierklinge und lässt sie in den Gulli plumpsen. »Ich schneid mich nicht mehr. Weil ich dich liebe. Und weil ich will, dass du nachts gut schlafen kannst.«
    Er lacht und küsst sie stürmisch. Aber er kann nicht beurteilen, ob sie das ernst meint oder nicht.

19 Pia
    »Bist du sicher, dass du in Ordnung bist?«
    »Ganz sicher.«
    »Ich muss das erst mal verdauen, weißt du?«
    »Klar, das versteh ich.«
    »Dein Bruder steht am Fenster.«
    »Guckt er hier rüber?«
    »Sieht so aus.«
    »Dann küss mich!«
    »Nicht, dass er dich nachher verprügelt.«
    »Quatsch! Der ist doch nur eifersüchtig.«
    »Eifersüchtig?«
    »Na ja … das sagt man doch so. Komm, küss mich, bitte!«
    Wir stehen eng umschlungen, vier, fünf Minuten, dann geht im Haus das Licht aus.
    Sebastian lässt mich los. »Bist du sicher, dass ich dich jetzt allein lassen kann?«
    »Es bleibt uns ja nichts anderes übrig.«
    »Du könntest auch bei mir schlafen.«
    Ich schüttele den Kopf. »Was meinst du, was das für einen Ärger gibt!«
    »Vorhin hast du noch gesagt, deine Eltern seien toll.«
    »Sind sie ja auch! Sie haben’s nur mit mir so schwer.«
    »Ah ja?«
    »Komm, Sebastian, lass uns jetzt nicht über Eltern reden!«
    »Hast Recht.« Er seufzt. »Kannst du dich an unseren Einkauf an der Tankstelle erinnern? Du wolltest in einen Wohnwagen einbrechen und abhauen. Dazu hätte ich jetzt Lust.«
    »Vielleicht machen wir das irgendwann mal«, sage ich.
    Er nimmt sein Fahrrad, schiebt es zwischen uns, schickt sich an, aufzusteigen.
    »Pia, ich hab dich so lieb. Ich kann mir vorstellen, dass es schwer für dich war, mir das zu erzählen, und …«
    »Bis morgen«, sage ich knapp.
    »Bis morgen.«
    Er steigt auf und fährt davon.
    Langsam gehe ich ins Haus. Meine Mutter steht vor dem laufenden Fernseher und bügelt.
    »Hi«, sage ich.
    »Hi«, wiederholt sie, wirft mir einen kurzen Blick zu, stellt das Bügeleisen ab, sieht auf ihre Uhr.
    »Ja, es ist spät … Entschuldigung.«
    »Wo warst du?«
    »Bei Sebastian.«
    »Hättest du uns das nicht sagen können? Es ist Viertel nach elf. Wir wussten nicht, wo du warst. Und heutzutage kann so viel passieren.«
    »Jaa.« Ich seufze. »Tut mir Leid, wenn ihr euch Sorgen gemacht habt.«
    Sie nickt, streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr.
    »Beim nächsten Mal sagst du Bescheid.«
    »Mach ich.«
    »Und deine Sachen könntest du auch mal selbst bügeln.«
    »Entschuldigung. Ja. Danke, dass du’s gemacht hast.«
    »Hm.«
    »Ich geh dann jetzt rauf.«
    »Schlaf gut.«
    »Du auch.« Ich schleiche die Treppen hinauf. Bei jedem Schritt denke ich, dass ich mich noch

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