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Schmerzverliebt

Schmerzverliebt

Titel: Schmerzverliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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fahrigen Bewegungen richte ich meine Kleider, kämme mir mit den Fingern durch die Haare.
    »Oh Gott, und jetzt Schule, ich weiß gar nicht, wie ich da locker hingehen soll!« Sebastian schüttelt den Kopf.
    »Weißt du was, ich hab jetzt Bio!«
    »Na, das passt ja!«
    Wir lachen los, so ausgelassen, als wäre das der beste Witz, den wir je gehört haben.
    Mit roten Wangen komme ich zum Klassenraum zurück. Auch diesmal bin ich nicht pünktlich, aber Herr Barsch, der stets hinzufügt, er heiße Barsch mit »B« wie der Fisch und nicht wie der Körperteil, merkt es nicht, denn er ist noch dabei, seine Unterlagen auf dem Pult zu sortieren.
    Wenn ich ihn so ansehe, muss ich doch einfach feststellen, dass es Menschen gibt, die schlechter dran sind als ich. Der Barsch, von Kindheit an gestraft mit seinem Namen und seinem dürren, dafür sehr langen Körper, den großen Augen, den zotteligen, schwarzen Augenbrauen, den langen Haaren, die ihm aus der Nase wachsen, und der hellen, fast durchsichtigen Haut, sieht selbst aus wie ein Barsch. Da er sich außerdem sehr nachlässig kleidet und Körperhygiene nicht gerade zu seinen täglichen Ritualen gehört, hat er einen schweren Stand bei seinen Schülern. Sie fassen Hefte, die er berührt hat, mit spitzen Fingern an, nehmen ihn nicht für voll, verarschen ihn, wo immer sie können. Manchmal, wenn ihm mal wieder jemand einen Deo-Roller aufs Pult gestellt oder ihn ohne seinen Anfangsbuchstaben angeredet hat, kommt er abends völlig aufgelöst zu meinen Eltern, um sich auszuweinen. Dann kleben ihm weiße Schuppen auf der Jacke, seine Ausdünstungen wabern durch das Wohnzimmer, und dort, wo er gesessen hat, bleibt immer eine komische, knittrige Kuhle im Ledersofa. Meist desinfiziert Mama heimlich den Platz, nachdem er gegangen ist. Dennoch predigt sie mir stets, was für ein netter, lieber Mensch er sei und wie unfair Kollegen und Schüler ihn behandelten. Mir hat sie verboten, jemals frech zu ihm zu sein, und weil er mir auch Leid tut, muss ich mich wohl oder übel daran halten.
    Ich setze mich neben Conny und schenke ihr ein ausgeglichenes Lächeln. Sie betrachtet mich argwöhnisch, fragt: »Alles klar?«, und knallt ihr Biobuch auf die Tischplatte.
    »Könnte kaum besser sein. Ich lebe richtig.«
    »Glaubst du etwa, ich nicht?« Conny schüttelt so genervt den Kopf, dass ihr Pferdeschwanz hin und her schlägt.
    »Ich hatte meine Freuden heute Morgen schon.«
    Sie reißt den Mund auf und starrt mich an.
    »Kurz nachdem wir uns gesehen haben«, ergänze ich und wickele ein Himbeerbonbon aus. »Auch eins?«
    »Das kann nicht sein!«
    Ich grinse sie an. »Ein hübsches Plätzchen … was braucht man mehr?« Ich stecke mir das Bonbon in den Mund.
    »Du lügst!«
    »Pah. Hab ich doch gar nicht nötig.«
    In dem Moment fragt der Barsch, wer die Hausaufgaben vorlesen will, und ich schiebe das Bonbon in eine Backentasche und melde mich.
    Nach der Pause haben wir Sport, Conny zieht sich neben mir um, ohne ein Wort mit mir zu reden. Obwohl es in dem Raum eng ist und wir Mädchen dicht gedrängt stehen – da nur noch eine der drei Bänke benutzbar ist, die zweite ist in der Mitte durchgebrochen, die dritte seit Wochen mit irgendwelchen ekeligen Flecken verunreinigt –, schafft Conny es, so zu tun, als wäre ich nicht da. Um auf sich aufmerksam zu machen, erzählt sie den anderen die dämliche Geschichte von ihrer Schwester und dem angeblichen Spanner hier in den Umkleiden, die als schauerliche Sensation auch gern aufgenommen wird. Dann dreht sich das Thema um das Casting. Sandra macht Pläne, was sie anstellen wird, wenn sie gewinnt, und Steffi weiß die gute Neuigkeit zu verbreiten, dass wir im Sportunterricht einen Tanz einstudieren werden.
    »Hey, Sandra, da können wir ja noch ein bisschen üben!«, sage ich freundlich.
    »Vielleicht werden wir ja beide genommen?«, gibt sie mit einem Lächeln zurück.
    Die anderen beginnen sogleich, uns gute Ratschläge zu geben und zu spekulieren, welche von uns beiden die besseren Chancen hat.
    »Püppi, dein Problem ist deine Stupsnase, die sieht so kindlich aus, die würde ich mir auf jeden Fall operieren lassen. Die langen Haare waren auch besser, der neue Schnitt ist zwar pfiffiger, aber daraus kann man weniger machen. Außerdem hast du relativ breite Hüften, die musst du irgendwie verdecken.«
    »Sandra, du siehst einfach top aus, aber wenn Püppi tanzt, ist sie auch nicht schlecht. Und sie ist immerhin ein paar Zentimeter größer.«
    »Ach

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