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Schmerzverliebt

Schmerzverliebt

Titel: Schmerzverliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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verkroch ich mich ins Zelt. Zu feige, ihn am weiteren »Fischefüttern« zu hindern, genoss ich den Schmerz in meinem Bauch als gerechte Strafe für meine Feigheit und das erbärmliche Krepieren der Fische.
    Sebastian hätte so etwas nie getan. Er hätte mein Vertrauen nicht ausgenutzt, mich nicht am nächsten Tag sitzen gelassen, meine verzweifelten Liebesbriefe nicht vor höhnischen Mitschülern vorgelesen, nicht behauptet: »Püppi muss man nur mal angrinsen, dann lässt sie sich schon begrabschen!« Sebastian hätte mich nie so verletzt, er war ein richtiger Freund, der einzige, den ich je hatte.
    »Danke, Püppi.« Benne öffnet die Tür. Die anderen stehen mit ernsten Gesichtern hinter ihm. Fast erwarte ich, dass sie »Herzliches Beileid« sagen.
    »Zufrieden?«, frage ich leise.
    »Was heißt hier: zufrieden?« Meine Mutter schüttelt den Kopf. »Wir haben dich nicht gedrängt. Du musst so was selbst wissen! Deine Entscheidungen triffst du alleine!«
    Und mein Vater: »Püppi, ich weiß nicht, was es da zu diskutieren gibt, ich hab gar nichts anderes von dir erwartet. Wir sind eine Familie.«
    Wie könnte ich das je vergessen!
    »Guck mal, was es Leckeres zu essen gibt«, sagt Conny, um mich abzulenken. Sie öffnet die Küchentür und zeigt auf den Ofen, in dem der Auflauf schon goldgelb leuchtet.
    »Kinder, wir wollten doch einen Salat dazu machen!«, ruft meine Mutter und eilt in die Küche.
    »Sollen wir Ihnen helfen?«, fragt Conny, als ob sie es darauf anlegt, aufgrund guter Manieren als zweite Tochter adoptiert zu werden.
    »Nein danke, das ist lieb von dir, Conny, aber das mache ich schon allein. Du kannst mit Benne den Tisch im Garten decken. Thomas, hol uns mal eine Flasche Wein aus dem Keller. Und du Püppi, könntest mir ein bisschen in der Küche zur Hand gehen, ja?«
    Aber ja. Das Serviermädchen ist stets zur Stelle.
    »Komm, tu mal was, das bringt dich auf andere Gedanken! Du könntest den Aufschnitt aufdecken, hier, nimm die Vorlegegabel dazu, und schneid auch zwei, drei Tomaten!«
    Ich nehme eine der tropfnassen roten Früchte in die Hand. Dazu das kleine Messer mit dem abgegriffenen Holzgriff. Das ist das schärfste. Aber die Fleischgabel aus echtem Silber würde sich auch eignen. Sie hat zwei lange, wunderschön spitze Zinken. Meine Mutter lächelt mir zu, und als ich verlogen zurücklächle, dreht sie sich um, summend, ihrer selbst sehr sicher. Sie glaubt, sie hätte mich unter Kontrolle. Denkste!
    Was nun folgt, geschieht wie unter Zwang. Ich schließe die linke Hand um eine der Tomaten, nehme die Fleischgabel wie einen Dolch in die Rechte und ziele. Die Gabel verfehlt die Tomate, nicht aber meine Hand. In dem Moment, in dem die Tomate auf den Boden platscht, bohrt sich die Gabel in meinen Handteller.
    Diesmal kann ich nicht verhindern, dass ich schreie. Das Blut spritzt bis auf Mamas Schürze und den Käseauflauf, den sie gerade aus dem Backofen holt. Zugleich wird mir schwarz vor Augen, meine Beine knicken weg, und ich rutsche an den Küchenschränken herunter, den linken Arm verkrampft abgespreizt, die Fleischgabel im Handteller.
    »Pia!«, kreischt meine Mutter »Um Himmels willen! Was ist passiert?«
    »Nichts. Gar nichts«, stammle ich atemlos und blicke auf meine Hand, aus der die Gabel ragt wie eine abstrakte Skulptur. Dieser Gedanke erfüllt mich für einen kurzen Augenblick mit Euphorie. Die Gabel ist ein Kunstwerk, sie ist das Zeichen meiner Kraft und meines Widerstandes, und trotz des fast ohnmächtig machenden Schmerzes freue ich mich, die entsetzten Blicke meiner Familie zu sehen. Jetzt müssen sie mich wahrnehmen, jetzt können sie nicht mehr an mir vorbeischauen.
    Fast bedauere ich es, dass Papa die Gabel vorsichtig entfernt und mir die Hand notdürftig mit Trockentüchern und Plastiktüten umwickelt. Gleichzeitig breitet sich der Schmerz von der Hand in den Arm und von dort in den ganzen Körper aus, mir wird schwindelig und kalt, mein Atem geht stoßweise, Tränen laufen mir über das Gesicht, und als ich sehe, dass auch meine Mutter feuchte Augen hat, schwindet meine Kraft vollends.
    Was hab ich nur wieder getan?
    »Entschuldigung, das wollte ich nicht, die Gabel ist mir ausgerutscht«, wimmere ich, und während mein Vater nach draußen eilt, um das Auto aus der Garage zu holen, meine Mutter, Benne und Conny mich hochziehen und beruhigend auf mich einreden, werde ich nicht müde, zu beteuern, dass alles ein Versehen war, dass ich ihnen nicht den Abend verderben wollte,

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