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Schmerzverliebt

Schmerzverliebt

Titel: Schmerzverliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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erwartungsvoll an. Offensichtlich hat Benne Muffensausen bekommen und seine Attacke gegen Sebastian schon gebeichtet, denn mein Vater fragt sofort: »Und? Was hat er gesagt?«
    »Ich hab Sebastian in die Ambulanz begleitet. Von da hat er seinen Vater angerufen, mit dem wollte er erst mal allein reden. Mehr weiß ich nicht. Ich bin dann nach Hause gegangen, weil Mama gesagt hat, ich solle auf jeden Fall um acht da sein.«
    »Tu doch nicht so! Du weißt mehr, als du zugibst!«, ruft Benne, der neben Conny auf dem Sofa hockt.
    »Benne!«, beruhigt ihn Conny sanft.
    »Ist doch wahr! Püppi, ich bin in Schwierigkeiten, du musst mir helfen!«
    »Ach, es ist ja Gott sei Dank kaum was passiert«, sage ich, denn ich möchte weder Stellung beziehen noch seine Blödheit ausbügeln, ich möchte einfach meinen Frieden.
    »Weißt du, ob er irgendwas unternehmen wird? Anzeige erstatten möglicherweise?«, fragt mein Vater ernst.
    »Nein, ich weiß es nicht«, sage ich matt. »Es ist aber möglich. Er hat das Kantholz mitgenommen und sich vom Arzt alles genau bestätigen lassen, zum Beispiel dass der Nagel beinahe sein Auge getroffen hat.«
    »Also doch«, sagt mein Vater leise.
    »Püppi«, redet Benne auf mich ein, »meine Freunde halten zu mir. Sie werden sagen, dass sie nicht gesehen hätten, wie ich Sebastian geschlagen habe. Wie steht’s mit dir? Bitte, halt zu mir! Ich hab’s nicht absichtlich gemacht, ich war so verzweifelt, als du plötzlich so geweint hast, da ist bei mir ’ne Sicherung durchgebrannt. Mensch, ich muss mich doch nicht vor dir erklären, du kennst mich doch.«
    »Du wirst dich natürlich bei Sebastian entschuldigen, Benne«, sagt mein Vater.
    Benedikt nickt. »Ja, sicher. Das hab ich doch sowieso vor. Püppi, bitte, red mit ihm! Er soll das nicht an die große Glocke hängen.«
    Ich schweige. Meine Eltern sehen mich an. Sie erwarten, dass ich zu meinem Bruder stehe. Sie brauchen es nicht auszusprechen, ihre Blicke genügen. Es gehört sich so. Wir sind eine Familie. Sie würden es auch für mich tun. Ich habe keine andere Wahl.
    In diesem Augenblick klingelt es an der Tür.
    »Ich geh hin.« Mein Vater springt auf. Mit ein paar Schritten ist er bei der Haustür, öffnet sie. Draußen steht Sebastian mit seinem dicken Verband an der Stirn, hinter ihm, an der Straße, der Wagen seines Vaters.
    »Guten Abend«, sagt Sebastian stotternd. »Kann ich bitte Pia sprechen?«
    »Worum geht’s?« Mein Vater baut sich vor der Tür auf, wir anderen folgen ihm und meine Beine sind schwer dabei.
    »Hi«, sagt Sebastian an mich gewandt und ohne den Rest der Familie eines Blickes zu würdigen. »Ich will zur Polizei, Anzeige erstatten. Kann ich mit dir als Zeugin rechnen?«
    Natürlich, ich würde gern alles bezeugen, dass ich dich liebe und es zu Hause nicht mehr ertragen kann, die stummen Blicke meiner Eltern, ihre enttäuschten Erwartungen, ihre unausgesprochenen Vorwürfe, ich kann kein einziges gemeinsames Essen mehr mit ihnen ertragen, keinen Einkaufsbummel und keinen Waldspaziergang, ich bezeuge dir, dass ich mit dir weglaufen möchte, aber noch lieber möchte ich aufhören zu existieren, mich vom Blitz treffen lassen, mich in Luft auflösen, mich auslöschen, mir mit den Fingernägeln die Tränen von den Wangen kratzen.
    »Eine Zeugenaussage kommt überhaupt nicht in Frage.« Meine Mutter schlingt die Arme um mich. »Das arme Kind hier ist ganz fertig. Siehst du nicht, dass sie weint?«
    »Soweit ich weiß, ist ›das Kind‹ immerhin schon sechzehn, und sie weint bestimmt nicht meinetwegen«, kontert Sebastian, doch an seiner bebenden Stimme höre ich, wie aufgeregt er in Wirklichkeit ist.
    »Hör mal, Sebastian, meinem Sohn tut Leid, was er getan hat, nicht wahr, Benedikt?« Mein Vater knufft Benne, und der macht ein zerknirschtes Gesicht und würgt ein »Ja, ehrlich, sorry« heraus. Dann fährt mein Vater fort: »Also, Sebastian, kommt doch einen Moment rein, du und dein Vater. Wir trinken einen Schluck Wein zusammen. Und morgen Abend haben wir hier eine große Party, da seid ihr auch gern eingeladen! Meine Güte, es tut Benne Leid, er ist ein bisschen hitzköpfig und war überdreht. Jeder macht mal einen Fehler. Wegen solcher Kindereien müsst ihr nicht gleich zur Polizei rennen. Los, hol deinen Vater, wir trinken einen Schluck und versöhnen uns!«
    Sebastian schüttelt den Kopf. »Nein. Dazu ist es zu spät.«
    »Sebastian, bitte«, flüstere ich. Der Vermittlungsvorschlag meines Vaters ist wie ein

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