Schmerzverliebt
mach auf!«, ruft Conny. Sie flitzt die Treppen hoch, um sie Sekunden später, aufgeregt und mit rotem Kopf, wieder herunterzupoltern.
»Es ist Sebastian, er will unbedingt …«, stammelt sie, wird aber im selben Moment von ihm unterbrochen, indem er sie einfach die Stufen hinunterdrängt. Er selbst bleibt auf halber Höhe stehen und ruft mit einer lauten, festen Stimme, die ich von ihm gar nicht kenne: »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, ich will die nette Feier hier nicht stören. Es gibt nur eine Kleinigkeit, die klargestellt werden muss!«
Der Überraschungseffekt wirkt, alle starren ihn an.
»Benne, dir herzlichen Glückwunsch, ich wünsche dir alles Gute, obwohl du mir gestern noch ordentlich eins übergebraten hast.« Sebastian zeigt auf seinen Kopfverband. »Ich bin übrigens bereit, die ganze, peinliche Geschichte auf sich beruhen zu lassen und meine Anzeige gegen dich zurückzuziehen, sozusagen als kleines Abi-Geschenk. Eine andere Sache kann ich aber nicht einfach unter den Tisch kehren. Du hast mir vorhin am Telefon unterstellt, deine Schwester belästigt und verletzt zu haben. Das ist eine gemeine Verleumdung, und ich will, dass du das zurücknimmst, Benedikt!«
Unter den Gästen setzt jetzt Gemurmel ein. Benne prescht vor, schiebt Conny zur Seite, drängt Sebastian die Stufen hoch. »Verschwinde von meiner Party!«
»Nein, erst nimmst du das zurück!«, ruft Sebastian, schlägt wild mit den Armen um sich und gewinnt drei Stufen zurück. »Pia, ich weiß, dass ich dir damit keinen Gefallen tue, aber du musst ihm sagen, dass das nicht stimmt! Oder habe ich dich bedroht oder gar verletzt? Ich wollte mit dir segeln gehen, wollte mit dir meine Ferien verbringen!« Sein Adamsapfel wippt auf und ab wie eine Boje, seine regennassen Haarsträhnen hängen ihm ins Gesicht. »Jetzt erkläre bitte, dass ich dir nie etwas getan habe!«
»Sebastian, ich wusste nicht, dass Benne dich beschuldigt hat …«, beginne ich.
»Pia, bitte!«
»Du warst es nicht. Du hast nichts damit zu tun.«
»Okay.« Sebastian nickt. »Danke.« Er hebt die Hand zum Gruß. »Dann kann ich jetzt gehen. Schöne Feier noch!«
»Moment mal!« Benne hält ihn auf. »Püppi sagt, du seist es nicht gewesen. Aber wie erklärst du dir dann, dass sie so viele Schnittverletzungen hat? Du warst doch die letzten Tage dauernd mit ihr zusammen, du musst doch etwas bemerkt haben!«
»Benedikt, lass das Thema jetzt!«, wirft mein Vater ein, dem nach den Andeutungen des Arztes nichts Gutes schwant.
Aber der ist nicht zu bremsen. »Wieso? Die Stimmung ist jetzt sowieso hin! Pia hat gesagt, sie sei überfallen worden von Brutalos, die ihr die Haare abgeschnitten und sie bedroht und verletzt hätten. Vielleicht hat dieser Held hier sich ja sogar selbstlos vor Püppi gestellt und ihr geholfen? Na, Kramer, was sagst du, warst du ihr Retter in der Not?«
»Ich weiß nur, dass ich deiner Schwester nichts getan habe.«
»Ach, dein Name ist Hase, ja? Dabei kennt sich deine Familie doch mit Quälen aus!«
»Jetzt reicht’s, Benedikt!«, herrscht ihn mein Vater an.
»Du hast ihr Angst gemacht und sie eingeschüchtert, deshalb nimmt sie dich in Schutz!«
»Das ist doch Schwachsinn!« Von Sebastians anfänglicher Selbstsicherheit ist kaum noch etwas übrig, sein Kopf ist rot, seine Stimme ein Stammeln. »Pia …« Er wirft mir einen Hilfe suchenden Blick zu.
Da weicht meine Erstarrung, ich renne zur Treppe, schubse Benne zur Seite und stelle mich vor meinen Freund. »Halt endlich deinen Mund! Lass ihn in Ruhe! Ich hab gerade gesagt, dass er es nicht war!«
»Wer soll’s denn sonst gewesen sein?«
»Benedikt, das ist kein Thema für den heutigen Abend! Deine Schwester will jetzt nicht darüber reden! Und ich auch nicht mehr!«, brüllt ihn mein Vater an.
»Ich will aber wissen, wer es war!«
»Niemand!«, kreische ich, und meine Stimme klingt sehr fremd, als ich langsam und leise wiederhole: »Es war niemand.«
»Lächerlich! Irgendwer muss dir all die Wunden ja wohl zugefügt haben!« ruft Benne.
»Wie auch immer, das müssen wir nicht hier besprechen! Komm, Pia!« Mein Vater nimmt mich am Arm, schiebt mich mit ernstem Gesicht die Kellertreppe hinauf. Hinter uns wird das Gemurmel leiser, einen Moment noch kann ich Benne und Sebastian streiten hören, dann stehen wir in der Küche, mein Vater und ich, und mein ganzer Körper zittert so, dass meine Mutter, die uns gefolgt ist, ganz bleich wird, als sie mich sieht.
»Gib dem Kind etwas zu
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