Schmetterlinge im Gepaeck
ist tatsächlich hoch. Strubbelig zwar, aber dabei nach oben stehend. Keine Ahnung, wie das ohne kiloweise Schaumfestiger oder Gel geht, aber schon als er noch ein Kind war, standen Cricket die Haare zu Berge. Er sieht damit ein bisschen wie ein verrückter Wissenschaftler aus, was gar nicht so abwegig ist. Seine Haare gehörten immer zu den Dingen, die ich an ihm mochte.
Bis ich überhaupt nichts mehr an ihm mochte natürlich.
Er wartet, dass ich antworte, und als ich es nicht tue, räuspert er sich. »Aber du bist auch gewachsen. Klar. Ich meine, wir haben uns lange nicht gesehen. Deshalb bist du gewachsen.«
Wir mustern uns gegenseitig. Mir schwirrt der Kopf, als ich versuche, den Cricket der Gegenwart mit dem Cricket aus der Vergangenheit zu verbinden. Er ist erwachsen geworden und in seinen Körper hineingewachsen, aber trotzdem er selbst geblieben. Der Junge, in den ich mich in der neunten Klasse verknallt habe. Meine Gefühle hatten sich seit unserer Kindheit angestaut, aber in jenem Jahr, als er sechzehn wurde, änderte sich alles.
Ich schiebe es auf seine Hosen.
Cricket war schon immer ⦠nett . Er war süÃ, klug, und er war älter, und so war es nicht verwunderlich, dass ich Gefühle für ihn entwickelte. Aber an dem Tag, als mir alles klar wurde, stellte ich auch fest, dass er sich neuerdings für sein Aussehen interessierte. Nicht auf eingebildete Weise. Einfach nur im Sinne von »Vielleicht sind Schlabberhosen und riesige Turnschuhe nicht gerade am vorteilhaftesten für einen Typen wie mich.«
Also fing er an, andere Hosen zu tragen.
Schöne Hosen. Keine Hüfthosen oder Schnöselhosen oder so was, sondern einfach solche, an denen man erkennen konnte, dass sie ihm nicht egal waren. Sie passten genau zu seiner Figur. Manche waren einfarbig, andere hatten Nadelstreifen und streckten ihn optisch noch mehr. Dazu trug er klassische Hemden und ungewöhnliche Jacken, mit denen er wie unbeabsichtigt cool aussah.
Während also die Jungen in meinem Jahrgang kaum daran dachten, den Hosenstall geschlossen zu halten â und sich nur die angehenden Schwulen Gedanken um ihr ÃuÃeres machten â, war er ein supernetter, superattraktiver, super gekleideter Heterojunge, der rein zufällig genau neben mir wohnte.
Natürlich verknallte ich mich in ihn.
Natürlich konnte das nicht gut ausgehen.
Jetzt steht er hier vor mir und seine Art, sich zu kleiden, hat sich nicht verändert. Wenn überhaupt, hat sie sich verbessert. Seine Hose und sein Hemd sitzen beide eng, aber jetzt trägt er noch Accessoires dazu. Ein dickes schwarzes Uhrenarmband an einem Handgelenk, eine Menge verblasster bunter Arm- und Gummibänder am anderen. Cricket Bell sieht gut aus. Er sieht BESSER aus.
Die Erkenntnis ist erstaunlich, aber die darauf folgende noch mehr.
Ich bin nicht mehr in ihn verliebt .
Wenn ich ihn ansehe, fühle ich mich stattdessen ⦠hohl.
»Wie ist es dir ergangen?« Ich schenke ihm ein freundliches, aber auch gelassenes Lächeln. Eines, das hoffentlich ausdrückt: Ich bin jetzt jemand anders. Du hast mir nicht wehgetan und ich denke nie an dich .
»Gut. Echt gut. Ich hab gerade in Berkeley angefangen, deshalb sind meine Sachen dort. Also in Berkeley. Ich bin nur hier, um meinen Eltern beim Auspacken zu helfen.« Cricket deutet hinter sich, als stünden die Kisten genau dort. Er hat immer schon viel mit den Händen gesprochen.
»Berkeley?« Das haut mich um. »Du meinst �«
Er blickt in die Gasse zwischen unseren Häusern. »Ich, äh, hab den Highschool-Abschluss ein Jahr früher gemacht. Hausunterricht, weiÃt du? Calliope auch, aber sie verschiebt das Studieren um ein paar Jahre, damit sie sich auf ihre Karriere konzentrieren kann.«
»Dann wohnst du also dort?«, frage ich und wage kaum, es zu glauben. »In einem Studentenwohnheim?«
»Genau.«
JA. LIEBER HIMMEL, JA!
»Also ein paar Sachen bringe ich hierher«, erklärt er. »Für die Wochenenden und Ferien und so.«
Mir schnürt sich die Brust zusammen. »Wochenenden?«
»Wahrscheinlich. Nehme ich an.« Er klingt, als müsste er sich entschuldigen. »Das ist noch Neuland für mich. Bisher hat sich alles immer nur um Calliope gedreht, weiÃt du?«
Und ob ich das weiÃ. Die ganze Familie Bell musste immer hinter Calliopes Karriere zurückstecken. Dies musste das erste Mal in Crickets
Weitere Kostenlose Bücher