Schmetterlinge im Gepaeck
Sie lebt seit Jahren nicht mehr auf der StraÃe â bevor sie ihr eigenes Apartment bekam, war sie in mehreren Wohngruppen â, aber sie ist immer noch nicht unbedingt der zuverlässigste Mensch, den ich kenne. Das Beste, was ich über sie sagen kann, ist, dass sie immerhin trocken ist. Und Snoopy bekomme ich nur dann und wann zu Gesicht, wann immer er gerade mal in die Stadt wankt. Dann ruft er meine Eltern an, wir laden ihn auf einen Burger ein und dann hören wir wieder monatelang nichts von ihm. Obdachlose kommen mehr herum, als die meisten Leute denken.
Ich spreche nicht gern über meine leiblichen Eltern.
»Mir gefällt, was du mit deinem Zimmer gemacht hast«, sagt Cricket plötzlich. »Die Lichter sind hübsch.« Er deutet auf die rosa-weiÃen Lichterketten, die ich quer über die Decke gehängt habe. »Und die Plastikköpfe.«
Um den oberen Rand meiner Zimmerwände verläuft ein Regalbord, auf dem türkisfarbene Köpfe von Schaufensterpuppen stehen. Sie führen meine Perücken und Sonnenbrillen vor. Die Wände selbst sind mit Kinoplakaten von Kostümdramen u nd schwarz-weiÃen Hochglanzfotos von klassischen Schauspi elerinnen bedeckt. Mein Schreibtisch ist knallpink mit Goldglitter, den ich daraufgeworfen habe, als die Farbe noch feucht war. Die Schreibtischplatte ist allerdings übersät mit Döschen mit Glitzer-Make-up, Fläschchen mit halbtrockenem Nagellack, Plastikhaarspangen für Kinder und falschen Wimpern.
In meinem Bücherregal stehen unzählige Dosen mit Sprühfarbe und bündelweise HeiÃklebesticks und mein Nähtisch ist mit Zeitschriftenausschnitten über japanische Street Fashion beklebt. Wacklige Stoffballenstapel türmen sich darauf, und an der Wand daneben gibt es noch mehr Regale, die mit Einmachgläsern voller Knöpfe, Garn, Nadeln und ReiÃverschlüssen zugestellt sind. Ãber meinem Bett hängt ein Himmel, den ich aus indischen Saris und Papierschirmen aus Chinatown gebastelt habe.
Es ist chaotisch, aber ich liebe es. Mein Zimmer ist mein Heiligtum.
Ich werfe einen Blick in Crickets Zimmer. Kahle Wände, kahler Boden. Leer. Er bemerkt meinen Blick. »Nicht wiederzuerkennen, was?«, fragt er.
Vor dem Umzug war sein Zimmer genauso durcheinander und vollgestopft wie meines. Kaffeedosen mit Zahnrädern, Zapfen, Muttern, Rädchen und Bolzen. Gekritzelte Skizzen, die neben Sternenkarten und dem Periodensystem hingen. Glühbirnen, Kupferdraht und zerlegte Uhren. Und immer diese Rube-Goldberg-Maschinen.
Rube Goldberg war dafür bekannt, Comics von komplizierten Apparaturen zu zeichnen, die simple Aufgaben verrichten. Also wo man zum Beispiel an einer Schnur zieht, sodass der Stiefel die Tasse umwirft, die eine Kugel auskippt, die auf einer Bahn landet und auf eine Wippe rollt, die einen Hammer in Gang setzt, der den Lichtschalter drückt. So sah Crickets Zimmer aus.
Ich lächle ihn zaghaft an. »Hat sich ein wenig verändert, CGB .«
»Du erinnerst dich an meinen zweiten Vornamen?« Seine Augenbrauen schieÃen überrascht nach oben.
»Als ob man den so leicht vergessen würde, Cricket Graham Bell .«
Yep. Familie Bell ist DIE Familie Bell. Die mit dem Telefon. Die mit einer der wichtigsten Erfindungen der Geschichte.
Er reibt sich die Stirn. »Meine Eltern haben mir mit dieser unglücklichen Namenswahl ganz schön was aufgebürdet.«
»Ach, komm.« Ich lache auf. »Du hast früher die ganze Zeit damit angegeben.«
»Die Dinge ändern sich.« Seine blauen Augen weiten sich, als würde er einen Witz machen, aber sein Gesichtsausdruck wirkt irgendwie stumpf. Verlegen. Cricket war immer stolz auf seinen Nachnamen. Als Erfinder wie sein UrururgroÃvater, konnte er auch gar nicht anders.
Er macht einen abrupten Satz zurück in sein dunkles Zimmer. »Ich muss noch den Zug kriegen. Hab morgen Unterricht.«
Die plötzliche Bewegung erschreckt mich. »Oh.«
Dann hüpft er wieder nach vorn und sein Gesicht wird von rosafarbenen und weiÃen Lichtern erhellt. Sie zeigen das Gesicht für schwierige Gleichungen. »Dann sehen wir uns demnächst wieder hier?«
Was soll ich schon sagen? Ich zeige auf mein Fenster. »Ich werde da sein.«
Kapitel fünf
M a x hebt sein schwarzes Shirt vom Boden seiner Wohnung auf und schlüpft hinein. Ich bin schon wieder angezogen. Heute bin ich eine Erdbeere. In einem
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