Schmetterlinge im Gepaeck
niedlichen roten Kleid aus den Fünfzigern, mit einer langen Halskette aus winzigen schwarzen Perlen und einer dunkelgrünen Perücke mit strengem Louise-Brooks-Bob. Mein Freund beiÃt mir neckisch in den Arm, der nach Schweià und Beerenlotion riecht.
»Bist du okay?«, fragt er. Und er meint nicht den Biss.
Ich nicke. Und es war tatsächlich besser. »Lass uns Burritos essen gehen. Ich hab totalen HeiÃhunger auf Guacamole und Pintobohnen.« Ich verschweige, dass ich auÃerdem gehen möchte, bevor Maxâ Mitbewohner, der Schlagzeuger von Amphetamine , nach Hause kommt. Johnny ist ein anständiger Kerl, aber manchmal bin ich unsicher, wenn Maxâ Freunde da sind. Lieber bin ich mit ihm allein.
Max schnappt sich sein Portemonnaie. »Alles klar, Lo-li-ta«, singt er.
Ich knuffe ihm in die Schulter und er schenkt mir dieses typische, vielsagende Halbgrinsen. Er weià genau, dass ich diesen Kosenamen hasse. Niemand darf mich Lolita nennen, nicht einmal mein Freund, nicht einmal unter vier Augen. Ich bin nicht das Zwangsobjekt irgendeines ekelhaften alten Knackers. Max ist nicht Humbert Humbert und ich bin nicht sein Nymphchen.
»Das ist jetzt die letzte Warnung«, sage ich. »Dafür musst du meinen Burrito bezahlen.«
»Mit extraviel Guacamole.« Er besiegelt sein Versprechen mit einem verheiÃungsvollen Kuss, als mein Handy klingelt. Es ist Andy.
Ich laufe rot an. »Tut mir leid.«
Er wendet sich enttäuscht ab, sagt aber sanft: »Muss es nicht.«
Ich erzähle Andy, wir säÃen schon im Restaurant und seien vorher einfach nur herumgelaufen. Ich bin ziemlich sicher, dass er mir das abkauft. Da die Stimmung jetzt am Boden ist, wählen Max und ich ein Lokal aus, das nur einen Block entfernt ist. Dort stehen riesige grüne Kaktuslampen aus Plastik im Fenster und an der Decke hängen Papageien aus Pappmaschee. Max wohnt im Mission District, dem Viertel neben meinem, und hier wimmelt es nur so von tollen mexikanischen Restaurants.
Der Kellner bringt uns gesalzene Chips und extrascharfen Salsa-Dip, und ich erzähle Max von der Schule, die in drei Tagen wieder anfängt. Ich habe sie so satt. Ich bin bereit fürs College, bereit, meine berufliche Laufbahn anzugehen. Ich will Kostüme für Kinofilme und Theaterstücke entwerfen. Eines Tages werde ich über den roten Teppich gehen und dabei etwas anhaben, das es noch nie zuvor gegeben hat, so wie Lizzy Gardiner, als sie den Oscar für Priscilla â Königin der Wüste entgegengenommnen hat. Sie trug ein Kleid aus goldenen Kreditkarten. Nur dass meines aus etwas anderem, ganz Neuem bestehen wird.
Zum Beispiel aus Fotostreifen aus Passbildautomaten oder Ketten aus weiÃen Rosen oder mexikanischen loterÃa -Karten. Oder vielleicht trage ich auch barocke Stulpenstiefel und einen Federhut. Ich werde mit einem Säbel im Gürtel und einer schweren Pistole im Halfter auf die Bühne stolzieren und meinen Eltern dafür danken, dass ich Vom Winde verweht gucken durfte, als ich in der zweiten Klasse Grippe hatte, denn dadurch lernte ich alles, was ich über Reifröcke wissen musste.
Vor allem, dass ich einen haben wollte. Unbedingt.
Max erkundigt sich nach Familie Bell. Ich zucke zusammen. Der Name wirkt bei mir wie ein Stromschlag.
»Du hast die ganze Woche noch nicht von ihnen gesprochen. Hast du ⦠Calliope noch mal gesehen?« Er zögert bei ihrem Namen. Bestimmt überlegt er nur, ob er ihn richtig ausspricht, aber einen panischen Moment lang denke ich, er weià von Cricket.
Was nicht sein kann, weil ich Max noch nicht von ihm erzählt habe.
»Nur durchs Fenster.« Ich fahre mit dem Finger am kalten Rand meines Jarritos-Softdrinks mit Mandarinengeschmack entlang. »Zum Glück. Langsam glaube ich, man kann tatsächlich nebeneinanderwohnen, ohne sich von Angesicht zu Angesicht unterhalten zu müssen.«
»Du kannst deinen Problemen nicht ewig aus dem Weg gehen.« Er legt die Stirn in Falten und zieht an einem seiner Ohrringe. »Niemand kann das.«
Ich breche in Gelächter aus. »Oh, wie passend, das ausgerechnet von jemandem zu hören, auf dessen letzten Album drei Songs vom Weglaufen handelten.«
Max lächelt mich schwach, aber belustigt an. »Ich habe nie behauptet, kein Heuchler zu sein.«
Ich weià nicht genau, warum ich ihm nicht von Cricket erzählt habe. Der Zeitpunkt schien einfach nie der
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