Schmetterlingsgeschichten - Chronik I - Genug geschlafen (German Edition)
der Blume entlanglief. Es war faszinierend, hatten sie so
kleine Ameisen noch nicht gesehen.
Die,
die sie kannten, waren dreimal so groß und es waren viel weniger. Oskar hatte
versucht, sie zu zählen – aber bei 69 hatte er aufgehört und aufgegeben.
Judith
wusste, er konnte gar nicht zählen, sagte aber nichts.
»Letztes
Jahr waren es noch viel mehr. Die sind auch ziemlich faul geworden«, sagte
plötzlich eine Stimme zu den beiden. Oskar und Judith drehten sich erschrocken
um. Auf dem Blatt neben ihnen hatte sich ein Schmetterling von der Erde
niedergelassen und schaute sie an. »Ihr seid nicht von hier, stimmts?«,
fragte er.
»Wir
kommen aus dem Norden«, fiel Judith als einziges ein.
»Nein,
nein. Mit …ihr seid nicht von hier… meine ich, ihr seid nicht von der Erde.«
Wenn
Schmetterlinge vor Schreck erblassen können, dann war dies gerade der Fall
gewesen.
»Wie
seid ihr geboren worden?«, fragte er die beiden fordernd. »Wissen wir
eigentlich gar nicht so genau. Wir waren einfach da – bei ihm«, sagte Judith
mit vollster Ehrlichkeit und zeigte auf Garth.
»Genau,
wusste ich es doch«, konterte der Schmetterling. »War bei mir nämlich genauso!
Ich war auf einmal auch einfach da! Ist aber schon ein bisschen her. Ich gehör
nämlich zu ihm«, erklärte er und zeigte auf Sebastian. »Übrigens, mein Name ist
Lukas.« Die Schmetterlinge nickten sich anerkennend zu und dann startete er
seine Geschichte.
»Also,
bei mir war das so: Vor ungefähr drei Jahren war ich einfach da. Wie aus dem Nichts.
Das Einzige, was ich nach meiner Geburt wusste, war, dass ich Lukas heiße und
ein Schmetterling bin. Ich schätze, das ging euch genauso. Nun… bis ich erst mal
verstanden hatte, dass es zwei Welten gibt, die eine, in der ich geboren wurde,
in der Millionen von Schmetterlingen leben und die andere, in der die Menschen
und andere Lebewesen existieren, hat schon seine Zeit gebraucht. Hihi. Ist das
bei euch auch so, dass in jedem Schmetterlingshaus eine Türe ist, durch die man
nur durchgehen muss, um zwischen diesen beiden Welten hin und her zu gehen?
Macht
ziemlichen Spaß! Nach dem Frühstück einfach vom Tisch aufstehen, ein paar
Schritte machen und dann durch die Türe spazieren, um zu sehen, was der Tag so
bringt. Auf jeden Fall, ich vermute, das ist bei euch genauso, komm ich dann
immer bei Sebastian aus. Und wenn man dann einen bestimmten Müdigkeitspunkt
erreicht hat, löst man sich auf und landet direkt in seinem Haus, in seinem
Bett. Ziemlich praktisch! Doch bevor wir wirklich schlafen gehen, müssen wir
noch eben schnell bei dem Chronisten vorbei und unsere Schmetterlingsgeschichte
erzählen – eine Art Tagesreport. Hier auf der Erde gibt es zwar auch
Schmetterlinge, aber die sind eher ruhigerer Natur. Sie können nämlich nicht
sprechen«, erklärte Lukas.
»Ja,
haben schon davon gehört. Da war so ein duseliger Schmetterling… ziemlich alt…
der erzählte so was schon«, sagte Judith. »Ah, dann habt ihr Wansul getroffen!
Ja, ja… der fliegt immer überall hin, nur nicht dahin, wohin er soll. Nämlich
seinen Ritter begleiten!«
Judith
und Oskar fielen fast vom Blatt, als sie DAS hörten. »Zumindest ist
meiner ziemlich umgänglich und mit ihm erlebe ich eigentlich jeden Tag etwas
Neues. Letztens hat er einen Pfeil abbekommen und keinen Kratzer gehabt. Ich
hab ja schon lange darüber spekuliert, was seine Fähigkeiten sein könnten –
aber an diese Schutzschild-Fähigkeit hatte ich nicht gedacht! Mir wäre es lieb
gewesen, wenn er so hätte fliegen können…oder Dinge bewegen.
Aber
mir soll es recht sein! Ich hab nämlich das Gefühl, dass das nicht seine
einzige Fähigkeit ist. Vielleicht kommt das ja noch mit dem Fliegen. Sagt mal,
warum seid ihr eigentlich zu zweit bei ihm?
Nur
Adepten haben mehr als einen Schmetterling bei sich und können Millionen von
uns hervorrufen. Aber auf der Erde gibt es zurzeit keinen Adepten. Die haben
sich allgemein seit längerer Zeit ziemlich rargemacht, hört man. Mmh, so viel
reden macht ungeheuer hungrig. Ich kenne da eine Ecke, in der die leckersten
Blumen weit und breit stehen. Sollen wir hin?«, fragte er die beiden und
kratzte sich am Köpfchen – aus irgendeinem Grund antworteten die zwei nicht.
S eitdem er
über seine Gabe wusste, hatte Jens mit allen möglichen Gegenständen
experimentiert. Er hatte Bücher, Vasen, Bleistifte und alles, was ihm in die
Hände gefallen war,
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