Schmetterlingsgeschichten - Chronik IV - Schmoon Lawa (German Edition)
erwischen. Die hatten ja alle
Amnesie!
Aber dass es ein Schmetterling war, und »zum Glück« niemand anderes, das war
jetzt klar.
Deutlich waren die kleinen Patschehändchenabdrücke auf dem Staub zu sehen.
Einige waren durch die Bewegungen des damaligen Öffnens verwischt und nur ein
einziger großer Fleck, aber ein paar identifizierten den unbefugten Benutzer
als einen Schmetterling!! Aber warum hatte hier ein Schmetterling eine Karte
hineingelegt?? Es konnte doch kaum einer ahnen, dass er hier mal wieder
hingehen würde? Oder doch?
Wer kannte ihn denn so gut, dass er wusste, er würde eine Parallele mit dem
Trubel des jetzigen Geschehens und dem des 100-jährigen Krieges ziehen?
Ohooohoooohooo!!
Stephanus
schwante da etwas, das er aber lieber noch nicht aussprechen wollte.
Sollte ER etwa?
Die
Gedanken rasten in seinem Kopf.
Je näher er sein Gedächtnis wieder an die Geschichten von damals führte, je
mehr Erinnerungen kamen in ihm auf. Moment!!
Die Karte war gar nicht so fehl platziert! Schnell blätterte er umher. Hier?
Nein. Hier? Nein. Moment. Hier? Ja! Hier konnte es sein: Stephanus sprang in
ein nächstes Kapitel… hier:
…Es
war der Tag des heiligen Crispian, der 25 Oktober, 1415… Azincourt war der Name
des Ortes. Die beiden Underdogs hockten in einem Dickicht und beobachteten
durch das Gestrüpp geschützt den Feind. Sie hatten beide graue, nichtssagende
Waffenröcke an. Ihre Helme hatten sie beim Lager gelassen. Die schweren Lederstiefel
waren von der feuchten Erde mit Wasser vollgesogen. Es hatte tagelang geregnet.
Die
Resignation über die Menschen stand ihnen mit eingemeißelten Sorgenfalten ins
Gesicht geschrieben. Wieder standen sich Heere gegenüber, wieder würden
Menschen abgeschlachtet werden… nur der Herrschaft Willen, des Ansehens und
Reichtums des Königs.
Im
Moment sogar ihres Königs, dem sie für Gold beistanden.
Die
beiden Männer hockten und stützten sich beide auf ihren Schwertern Linjao und
Shu-Si ab. Ihr einst pochender, feuriger Glanz, der Puls ihres Lebens, der sich
früher stolz in den eingravierten Runen vollständig als Kunstwerke über ihre Klingen
erstreckend, rhythmisch schlagend manifestierte, war fast verblasst.
Auf
der Erde gab es keine Kämpfe mehr, in denen sie zum Wohl der Menschheit ihre
Energien gewannen.
Auf
den meisten Seiten herrschte Unrecht. Viele ihrer Art und die ihrer
ritterlichen Waffengefährten hatten sich bereits schlafen gelegt.
Ihre
Spitzen steckten im schlammigen Boden, die Arme ihrer Führer ruhten auf ihren
Knäufen.
Sie
pochten schon lange nicht mehr nach Blut.
»Sag
mir wieso!«, flüsterte Sir Sean Gallar seinem Bruder Sir Lohan Gallar rüber,
der nur ein Kopfschütteln zustande brachte.
Vor
ihnen zog gerade eine Gruppe von Lances vorbei. Schwere Eisenplatten klirrten schon
von weitem. Lanzen, Schwerter und Schilder trugen ihren Lärm zu dem Gewieher
der stolzen Pferde bei. Markante Hundsschädel-Visiere auf einigen der
Bascinets, die klassischen Helme der Zeit, verschafften den Männern ein
gruseliges Ansehen. Fast 12.000 Bewaffnete wurden von Jean II. Le Maingre und
Charles I. d’Albret im Namen des geisteskranken Königs Karl VI. von Frankreich
geführt. Diese Streitmacht sollte die 8.000 Mann starke Mischung aus Engländern
und Walisern unter dem erst seit zwei Jahren regierenden englischen König
Heinrich V. aus dem Hause Anjou-Plantagenet vom Kontinent fegen, dem Okkupator und
seiner Brut ihren erbärmlichen Platz in der Geschichte zuweisen, auf ihrer
nassen Insel – für die Ewigkeit.
»Aber
schau, wie ihre eigenen Männer diese Schlacht herbeisehnen. Ihr Adel will Ruhm
und Ehre. Nicht das Wohl der Heimat steht hier auf dem Spiel. Hier geht es um
Geld und Macht«, flüsterte Sir Sean Gallar mehr für sich selber als für seinen
Bruder weiter.
Die
Verachtung über die Blutgier in der Stimme war unverkennbar. Das Bruderherz
hingegen schaute nach oben. Auf dem ersten Ast über ihnen saßen die ganze Zeit
wortlos ihre Schmetterlinge Max und Lola.
Ihre
Flügel hingen schlaff und kraftlos nach unten. Als bräuchten sie eine Stütze,
lehnten sich die beiden an den Stamm. Ihre Händchen hielten sie mit Mühe fest.
Furcht, Zittern und Angst vor dem Unausweichlichen lastete angesichts einer
weiteren Schlacht, weiteren Blutvergießens fahl in ihren Augen und Mündern.
Wieder einmal mussten sie zuschauen… der Ausgang war egal, der Tod liebte
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