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Schmetterlingsjagd (German Edition)

Schmetterlingsjagd (German Edition)

Titel: Schmetterlingsjagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Ellison
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wie sie rosiger und rosiger werden. Die dicken Pinselhaare piksen ein bisschen. Sie sind steif geworden, weil sie so lange nicht mehr benutzt wurden. Jetzt erfüllt mich eine kribbelige Aufregung. Ich kann kaum stillhalten, um das Make-up gleichmäßig auf meinem Gesicht zu verteilen oder die Eyeliner-Linie um meine Augen zu ziehen – ein rauchiges, tiefes Blauschwarz. Meine Hände zittern wie Gummibänder.
    Das stark geschminkte Gesicht im Spiegel sieht überhaupt nicht mehr so aus wie ich. Ich sehe älter aus, es ist fast, als ob ich mein zukünftiges Gesicht sähe, und wenn ich der zukünftigen Version von mir auf der Straße begegnen würde, würde ich sicher denken, dass sie mindestens schon aufs College geht.
    Ein merkwürdiges Gefühl der Befriedigung durchströmt meinen Körper, fast wie ein Zuckerflash – ich wusste ja gar nicht, wie einfach es ist, jemand anders zu werden. Mich selbst wegzuräumen, in eine Art dunklen Lagerraum, und dann wieder aufzutauchen – neu – eine zugekleisterte, glitzernde, weibliche Erscheinung.
    Ich betrachte die gleichmäßige, makellose Haut dieses neuen Mädchens. Sie hat keine Narben. Und dann, mit einem Wimpernschlag, verschwindet die Erscheinung. Da bin nur wieder ich. Vernarbt und reizlos. Plötzlich fällt mir ein, dass ich meine Eltern belüge. Ich gehe in einen Nachtclub, obwohl ich lernen sollte – fast wie ein normaler Teenager.
    Die Ironie darin lässt mich laut auflachen, und ich schlage hastig die Hand vor den Mund, damit sie es nicht hören. Ich will ja nicht, dass Dad denkt, dass ich noch verrückter wäre, als er ohnehin schon annimmt.
    Ich stehe auf, um mein Zimmer ein letztes Mal zu begutachten. Wieder fühle ich mich ganz kribbelig, meine Finger unruhig – und wie gut, dass ich mich noch einmal umschaue, denn ich merke sofort, dass die Steinwölfe dringend zwölf Zentimeter nach rechts geschoben werden müssen, alle neun. Ich muss mit drei großen Schritten bei ihnen sein, oder in 27 sehr kleinen Schritten, damit ich heute Nacht nicht erwischt werde. Ich schaffe es in drei großen Schritten zu ihnen, ordne sie schnell, dann bin ich in 27 winzigen Schritten zurück bei meinem Geldbeutel und werfe einen letzten Blick auf mein kleines Königreich. Alles in Ordnung. Ich bin bereit, die Sicherheit meines warmen Kokons zu verlassen. Ganz neu. Irgendwie.
    Schnell: Ich nehme den zerknüllten Zettel aus meinen Converse-Turnschuhen und lege ihn in einen der alten hochhackigen Schuhe von Mom. Die werde ich heute Nacht tragen, um nicht aufzufallen. Schließlich lege ich die Hand auf den Pferdeanhänger, der an meiner Brust hängt, taste nach dem zerknüllten Zettel im Schuh und nach Sapphires Schmetterling in meiner Jackentasche. Ich nehme die Handtasche mit den Ringelblumen vom Schreibtischstuhl und stecke die Geldbörse hinein. Alle Systeme auf «Go». In neun mittellangen Schritten erreiche ich die Zimmertür und schleiche mit laut klopfendem Herzen nach unten. Ein dünner Lichtstreifen fällt aus Dads Arbeitszimmer in den Flur, sonst ist alles dunkel. Ich nehme ein paar weichgewordene Erdnussflips aus einer offenen Tüte in der Speisekammer. Plötzlich habe ich nagenden Hunger.
    Ich klopfe tip tip tip, Banane , öffne die Haustür, bleibe kurz stehen zwischen Wärme und Frost: In der Dunkelheit könnte der Mörder auf mich warten.
    Ich zögere, gleite dann aber hinaus in die eiskalte Luft. Die Tür fällt leise hinter mir ins Schloss.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 9
    «Kellnern? Du musst aber auch tanzen. Das weißt du, oder? Das ist hier kein normales Abendessen-und-Getränke-Restaurant», sagt der Geschäftsführer des Tens, ein kleiner, dickbäuchiger Mann mit einem dicken blonden Schnurrbart, der ein waldgrünes Sakko trägt. Er hat mir die Jacke abgenommen und sie nachlässig an den Haken neben der Tür gehängt, und jetzt mustert er mich. Seine Augen flitzen zwischen meinem Gesicht und meiner Brust hin und her und scheinen wie Röntgenstrahlen durch den Stoff meines schwarzen Minirockes (der kürzeste, den ich finden konnte), meines violetten Spaghettiträger-Hemdchens (das kleinste, das ich finden konnte) und des dünnen Strickjäckchens über meinen Schultern zu dringen. Dazu trage ich Moms alte Lacklederpumps aus den Achtzigern, mit denen ich früher Verkleiden gespielt habe (das einzige Paar Schuhe in meinem Kleiderschrank, das wenigstens ansatzweise dazu passte). Ich versuche, so zu tun, als ob dies hier gar nicht passierte, und

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