Schmetterlingsjagd (German Edition)
weiblich wirkt. «Grad haben wir ein Mädchen verloren, also suchen wir tatsächlich gerade, äh, nach, äh, frischem Blut.» Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen. «Du bist achtzehn, oder?»
Die Art, wie er so lässig «Mädchen verloren» und «frisches Blut» sagt, lässt mich fast erstarren. Aber ich nicke drei Mal kurz.
«Ich hol dir ein Formular», sagt er. «Bleib hier.» Er geht durch die Schwingtür neben der Kabine für den Discjockey. Dahinter erkenne ich einen trüb erleuchteten Flur und den Eingang zu einem Büro. Dann schwingt die Tür wieder zu.
Ein anderes Mädchen tritt auf die Bühne. Sie trägt glitzernde rosafarbene Unterwäsche und räkelt sich majestätisch auf ihrem straffen Bauch. Mit einem Lolli im Mund krabbelt sie wie eine Katze auf einen Gast in der ersten Reihe zu, der die Augen weit aufgerissen hat. Sie ist die Antwort des Tens auf Jessica Fisk-Morgan von der Carver High: die Cheerleaderin. Nur Zucker und Schaum. Total nichtssagend und fade, aber immer fröhlich, hat sie sich vier Jahre hintereinander die Jahrbuchvorhersagen «als Erste verheiratet» und «als Erste schwanger» verdient. Es geht mir besser, wenn ich sie mir so vorstelle. Ich fühle mich dann nicht so ängstlich und fehl am Platz.
Schnauzbart kommt mit einigen zusammengehefteten Zetteln zurück und klatscht sie auf den Tresen. «Los, füll die Formulare aus, und ich schau sie mir dann an, stell dir ein paar Fragen und gucke, ob du hier gut reinpasst.» Sein Kopf ruckt, wenn er spricht. Er hört nie auf zu rucken.
Auf dem Bewerbungsformular denke ich mir eine ganze Liste von Clubs und Restaurants aus, ändere mein Geburtsdatum, damit ich für achtzehn durchgehe, und schreibe einen falschen Namen darauf: Juliet. Es ist sowieso nicht genug Platz für einen Nachnamen. Wahrscheinlich wollen sie den auch gar nicht wissen.
Das Mädchen auf der Bühne, das aussieht wie Jessica, hat ihren Lolli jetzt dem großäugigen Gast in den Mund gesteckt. Die Männer brechen in johlendes Gelächter aus. Schnauzbart kommt zu mir zurück, zieht meine Bewerbung zu sich rüber und überfliegt die Zettel. Dabei murmelt er immer wieder Hm und A-ha vor sich hin.
«Also …» Ich schlucke trocken und tippe mir von hinten auf den Rücken. Sechs, sechs, neun, zähle ich lautlos im Kopf. Zeit für Teil drei meines Plans. «Darf ich mich im Club ein wenig umsehen, um ein besseres Gefühl für den Raum zu bekommen?»
Er schaut auf und öffnet den Mund, um mir zu antworten, da unterbricht ihn eine Kellnerin.
«Howard, hör mal, ich hätte schon vor Ewigkeiten gehen können, okay? Aber ich hab endlich diesen Volltrottel an Tisch zwölf davon überzeugen können, seine Zwölf-Stunden-Achthundert-Dollar-Rechnung zu bezahlen, damit ich endlich nach Hause kann, und nun hat diese verschissene Kreditkartenmaschine plötzlich keinen Bock zu arbeiten. Können wir diese Scheiße regeln? Mein freier Abend hat schon vor ungefähr sechs Stunden angefangen.» Sie tappt ungeduldig mit ihrem Fuß und zuckt so komisch. Dabei schaut sie ihn böse an und übersieht mich völlig. Unwillkürlich fange ich ebenfalls an zu zucken.
Der Geschäftsführer legt die Hände auf ihre nackten Schultern und wirft einen schnellen Blick auf das glitzernde Slipdreieck zwischen ihren Schenkeln. «Bleib mal locker, Amber. Ich krieg das hin, okay?» Dann wendet er sich an mich: «Du kannst hier herumlaufen, mit den Mädchen sprechen, was immer du willst.» Er sagt das, als wäre es seine Idee gewesen, als wäre er schon mein Boss.
Ich schlängele mich durch ein enges Labyrinth roter und schwarzer Tische, auf denen in kursiver Schrift «Tens» steht. Die Luft wirkt zum Schneiden dick. Der Fußboden ist vollständig mit schwarzem Plüsch bedeckt. Ungefähr ein Drittel der Tische ist besetzt – Kunden in kleinen Grüppchen, dazwischen große Lücken. Auf den meisten Tischen liegt bloß ein Haufen Papierservietten, dazwischen bunte Zahnstocher aus Plastik, grüne Oliven und unterschiedlich große Gläser und haarige Unterarme und Finger mit Eheringen daran.
Die Jungs sitzen der Bühne am nächsten. Sie tragen Pullis mit dem Logo der Sigma-Tau-Gamma-Studentenverbindung darauf – ich wette, das sind genau die Leute, zu denen Kevin DiGiulio, Brad Kemp und Tony Matthews in höchstens drei Minuten nach dem High-School-Abschluss mutieren.
Eine Kellnerin mit einem Tablett voller Drinks drängelt sich an mir vorbei und wirft mir einen missmutigen Blick zu. Sie ist die Simone Rothbait
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