Schmetterlingsjagd (German Edition)
Vorgarten gesehen, als ich gekommen bin. Hast du dein Zimmer ausgemistet, wie ich es dir gesagt habe?»
Die tote Katze. Er muss sie gesehen haben, bevor ich sie beerdigt habe.
«Du bist aber nicht hineingegangen, oder? In mein Zimmer?», frage ich leise und ordne geduldig die Erbsen auf meinem Teller. Drei gleich große Gruppen. Sieben Erbsen in jeder Gruppe. Nicht so gut wie neun, aber auch keine Katastrophe. Nicht der schlimmste Fall. «Weil das nämlich wirklich mein Zimmer ist, Dad, und ich möchte nicht, dass irgendjemand …»
«Entspann dich», sagt er. «Ich bin nicht in deinem Zimmer gewesen. Aber ich weiß , dass ich dich vor über sechs Monaten gebeten habe, einiges von deinem Müll da oben wegzuschmeißen, und ich will bloß sichergehen, dass du dich noch daran erinnerst, Schatz.» Er schaut auf meinen Teller und seufzt. «Hör auf, dein Essen auf dem Teller herumzuschieben und iss einfach, okay, Lo? Früher hast du Erbsen gern gemocht.»
Aber ich bin beschäftigt und seine Stimme ist ein leises Murmeln, das ich kaum verstehe. Da ist immer noch dieser grässliche Haufen mitten auf meinem Teller. Ich kann nicht aufhören, bis jede Erbse ihren Platz auf dem Tellerrand gefunden hat. Drei Möglichkeiten. Sechs Erbsen sind noch anzuordnen. Noch fünf Erbsen. Vier. Drei.
Dad schaut mir aus den Augenwinkeln zu. Wir schweigen, man hört nur das Klappern seiner Gabel und das schabende, ordnende Geräusch von meiner.
Ich zähle die einzelnen Erbsengruppen und versichere mich, dass sie alle gleich groß sind. Eins, zwei, drei, vier …
Aber Dad unterbricht mich. «Lo. Ich hab gesagt, du sollst das lassen.» Also muss ich wieder von vorn anfangen, meine Hände fangen an zu zittern. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs; eins, zwei, drei … «Lo. Sieh mich an. Bitte. Hast du deine Medikamente genommen? Lo? Antworte mir.» – Noch mal von vorn. Mein Gesicht brennt, mein Körper kocht über, eine Mischung aus Wut und Scham. Er versteht das nicht – ich will nicht wie Mom sein, so lähmend taub, so leer im Hirn. Dann lieber so. Gruppen. Ordnung. Systeme. Muster. Sicher, sicher, sicher. Seine Hand schießt nach vorn und versucht, mir die Gabel aus der Hand zu nehmen. Ich schreie auf und weiche zurück. Dann fange ich wieder von vorn an.
Gruppe eins: Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs.
Er funkelt mich wütend an. Ich mache weiter.
«Iss endlich dein gottverdammtes Abendessen, Penelope.»
Nein. Keine Chance. Ich kann nicht aufhören. Gruppe zwei: Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs; Gruppe drei: Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs .
Ich atme tief durch. Fertig. Geschafft. Jede Gruppe genau wie die andere, eine perfekte Anordnung aus Farbe und Form.
Ich stoße mich heftig mit meinem Stuhl vom Tisch ab und stehe auf. Mein Dad starrt mich mit diesem Blick an, den er immer kriegt, dieser erschrockene Blick, als ob ich ein missgestaltetes Tier in einem Käfig wäre. «Setz dich wieder hin, Penelope. Wir essen jetzt zu Abend wie eine normale …»
«Ich habe keinen Hunger», wiederhole ich und balle die Fäuste. «Ich hasse Pesto. Ich habe Pesto schon immer gehasst.» Ich gehe in den Flur und dann ganz schnell ins Badezimmer. Ich schließe ab und erwarte beinahe, dass mein Dad hinterherkommt, gegen die Tür hämmert und mir befiehlt, mich wieder an den Tisch zu setzen. Aber er tut es nicht. Eine Minute später höre ich Schritte, die am Badezimmer vorbeigehen. Dann öffnet und schließt sich die Tür zu seinem Arbeitszimmer.
Ich atme drei Mal aus und zähle dazwischen jeweils bis drei. Zeit zu gehen.
Ich finde den Kulturbeutel meiner Mutter eingeklemmt zwischen Feuchtigkeitscremes und zwei Reihen mit jeweils drei Nagellackfläschchen in einem Korb links vom Waschbecken. Auf allem liegt eine dicke Staubschicht. Ich schüttele den Staub vom Kulturbeutel und betrachte ihn. Aus dem Augenwinkel sehe ich den Geist von Mutter Vergangenheit, wie sie auf ihrem königlichen Schlafzimmerstuhl vor dem Spiegel sitzt und im Abendlicht glitzert.
Ich verlasse das Badezimmer, schleiche leise hoch in mein Zimmer und lege einen Haufen antikes Besteck, Porzellanpuppenköpfe, -hände und -füße, einen Stapel zerknitterter Fotos von fremden Familien, Hunden und Urlauben vorsichtig neben dem Schreibtischstuhl ab. Jetzt habe ich Platz, und ich setze mich an meinen antiken Kirschholzschminktisch und starre in den großen ovalen Spiegel.
Husch – ich streiche mit dem Rougepinsel immer wieder über meine Wangen und sehe zu,
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