Schmetterlingsjagd (German Edition)
gleichzeitig nicht so auszusehen, als fände ich ihn unheimlich.
Ich streiche meine Ponysträhnen zur Seite, hin und her, drei Mal, dann lege ich die Hände auf die Oberschenkel und starre geradeaus. Ich muss unbedingt furchtlos wirken. Mehr als das, ich muss furchtlos sein .
Ich starre in die Menge. Das Profil des Mannes, der ganz nah an der Bühne sitzt, kommt mir irgendwie bekannt vor – fettiges Haar, ledrige Haut. Mario. Aber als er sich ein paar Sekunden später umdreht, um nach der Bedienung zu winken, erkenne ich, dass er es nicht ist – nur ein anderer schmieriger Mann mittleren Alters. Eine Packung Winston-Zigaretten steckt in der Brusttasche seines Hemdes. Mein Herz überschlägt sich fast in meiner Brust.
Ich versuche, meine tippenden Hände hinter dem Rücken zu verstecken. Neun, neun, sechs. Neun, neun, sechs. «Ich liebe Tanzen», sage ich und zeige ihm weiße Zähne zwischen angemalten Lippen.
Bis jetzt geht alles glatt. Der Plan, den ich auf dem Weg hierher gemacht habe, lautet folgendermaßen:
den Club finden;
den Geschäftsführer sprechen;
mehr über Sapphire herausfinden, egal wie;
versuchen, dabei nicht umgebracht zu werden.
Eins und zwei habe ich schon erledigt. Ich arbeite noch an drei und vier .
«Arbeitserfahrung?», fragt er.
«Oh ja. Ja. Absolut.» Ich lege die Hände auf die Hüften und drücke die Brust heraus – normalerweise verstecke ich meine Brüste. Ich habe Körbchengröße C. Aber jetzt sind sie vielleicht genau das, was ich brauche – nur drei Mal ein bisschen hin- und herbewegen. Dabei schaue ich mich unauffällig im Club um und denke über weitere Antworten nach. Ich war noch nie in einem Stripclub, und das Tens ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich dachte, es wäre ein glänzender, glitzernder, riesiger Saal, irgendwie unecht, so wie im Film.
Stattdessen ist es nur ein schummriger Raum, in dem sich Zigarettenrauch mit dem süßsauren Geruch von Alkohol vermischt. Große Männer, ganz in Schwarz gekleidet, poltern von irgendwo unten hinauf. Es muss ein geheimes Kellergeschoss geben. Sie stehen da, warten und beobachten.
Die Kunden – Männer, die am Tresen aufgereiht und um die Tische herumsitzen – sehen überraschend normal aus. Wahrscheinlich hatte ich irgendwelche anzüglich glotzenden Schleimer erwartet. Aber sie sehen aus wie die Typen, mit denen mein Dad Golf spielt, mit noch ganz neuen Bierbäuchen und entspannt in ihren legeren Polohemden. An dem einen Tisch sitzen Jungs, die kaum älter sind als ich. Sie lachen viel zu laut über Witze, die ganz sicher überhaupt nicht lustig sind.
Ein Mädchen mit fedrigem rot gefärbtem Haar lässt sich mit gekreuzten Beinen die Stange hinabgleiten, ihr Rücken biegt sich in Richtung der Zuschauer. Schau mich an. Hände weg.
Ihre Oberschenkel werfen Falten, wo sie das glatte Metall berühren. Ihre Haut leuchtet im Scheinwerferlicht. Sie scheint durch die Luft zu schweben, ihr Körper so biegsam und dehnbar wie Kaugummi.
Sie sieht überhaupt nicht nervös aus, lässt es wie ein Kinderspiel aussehen: Einfach die Metallstange zwischen die Schenkel nehmen und sie zwischen warmer Haut und Muskeln schmelzen lassen. Ich kann mir nicht vorstellen, an ihrer Stelle zu sein, dort oben, und fremden Augen zu erlauben, über jeden einzelnen Quadratzentimeter meiner Haut zu wandern.
Ich konzentriere mich wieder auf Schnauzbart. «Ich bin gerade aus … Chicago hierhergezogen. Aber ich habe dort schon eine Weile in einem Club gearbeitet. Als Kellnerin.»
Seine Augen inspizieren meinen Körper, von oben nach unten, bleiben dann kurz an meinen leicht schiefen Brüsten hängen (kann er das sehen?), und ein übles Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus. Ich zwinge mich weiterzulächeln.
«Du scheinst mir ein nettes Mädchen zu sein. Guter Körper, gute Einstellung, gutes Gesicht, hübsche lange, dicke Haare. Du siehst ein bisschen irisch aus. Bist du irisch?»
Ich zucke mit den Achseln und versuche, dabei nicht zusammenzusinken. «Ich glaube nicht.» Seine Bewertung gibt mir einerseits die sonderbare Befriedigung, dass ich gut genug bin, und gleichzeitig ekle ich mich vor mir selbst, dass ich überhaupt etwas darauf gebe. Dann durchströmt mich wieder diese Aufregung, die sich fast krank anfühlt.
«… genau nach so etwas suchen wir hier», fährt er fort und wippt in seinen Lederschuhen vor und zurück. Er hat die Lippen geschürzt und die Hände in die Hüften gestemmt, sodass er fast ein wenig
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