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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Hazy
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Unerzogenes habe ich meine Lebtage noch nicht erlebt.»
    «Ska…» Lennard sah mich unentschlossen an und machte einen Schritt auf mich zu. Ich wich ganz automatisch zurück.
    «Nenn mich nicht so!»
    «So hab ich dich immer genannt», erwiderte er.
    «Weißt du, du kannst die Reifen einfach im Garten liegen lassen, ich hab noch eine Menge zu tun.» Ich griff nach der Türklinke, auch wenn ich ihm dafür beängstigend nah kommen musste, weil er sich so weit in den Eingang geschoben hatte. Er sah zu mir runter, öffnete den Mund, als würde er noch was sagen wollen, entschied sich dann aber doch noch um und ging zurück zur Tür.
    «Schicker Fratzenkopf, übrigens», spottete er mit einem Blick über den Türrahmen und zog die Tür hinter sich zu, sodass die lauten Proteste von dem Maskaron nur noch gedämpft zu mir durchdrangen.
    Ich stand reglos im Flur und lauschte meinem viel zu schnellen Herzschlag, während meine Beine allmählich zu Pudding mutierten, und ich unfähig war, auch nur einen Schritt zu gehen. Ich hörte, wie jemand draußen im Vorgarten rumwerkelte und ich war mir sicher, dass Lennard die dämlichen Reifen doch noch auf mein Fahrrad zog, einfach weil er nun mal so war.
    «Scheiße», flüsterte ich und drückte mir die Handballen auf die Augen. Irgendwie schaffte ich es wieder ins Wohnzimmer und dort auf die Couch, wo ich mich zusammenkrümelte und auf die Geräusche aus dem Vorgarten lauschte. Erst, als es still war, beruhigte ich mich langsam wieder.
    Als mein Vater nach Hause kam, saß ich immer noch dort. «Hallo!», rief er erstaunt, weil ich sonst meistens oben in meinem Zimmer war, wenn er heimkam. «Hast du einen schönen Nachmittag gehabt? Dein Fahrrad sieht ja wieder aus wie neu!»
    Ich nickte stumm, weil ich dazu einfach nichts sagen konnte. Meine Kehle fühlte sich rau und ausgetrocknet an und der Durst trieb mich irgendwie auf die Beine und in die Küche.
    «Ich glaub, ich komm morgen doch mit», sagte ich nach einigen großen Schlucken Wasser. Rüdiger starrte mich überrascht an. «Was?»
    «Ich komme mit. Nach Hannover», fügte ich also vorsichtshalber hinzu.
    «Wirklich?» Er schien sich darüber aufrichtig zu freuen. «Das ist gut. Wir müssen uns nämlich auch bald mal überlegen, ob wir das Haus verkaufen oder vermieten wollen und du willst es sicherlich nochmal sehen und alles mitnehmen, was du behalten willst.»
    „ Verkauf es ruhig, ich will es nicht und das Geld können wir sicher gut gebrauchen.“ Mein Vater bedachte mich mit einem sorgenvollen Blick, offenbar war es ihm unangenehm, dass ich mittlerweile alt genug war, um zu begreifen, dass sein Laden nicht allzu viel abwarf. Für ihn alleine mochte das gerade reichen, aber da er mich jetzt auch noch mitfinanzieren musste, war das etwas andres.
    Ich rang mir ein lächeln ab. Die Wahrheit war, dass ich noch genauso wenig Lust hatte, unser altes Haus zu betreten, wie vorher. Aber meine Angst, den ganzen Tag hier alleine zu bleiben und einen erneuten Besuch von Lennard befürchten zu müssen, war größer.
    Ich schlief grauenvoll in dieser Nacht. Ich träumte unruhig von meiner Ma und von Lennard und ich wachte irgendwann um zwei Uhr schweißgebadet mit rasendem Herzen wieder auf. Meine Haare klebten mir überall im Gesicht und mein Gaumen fühlte sich trocken und taub an. Mit zittrigen Beinen stand ich auf und taumelte ins Bad, um mir etwas Wasser ins Gesicht zu spritzen und davon zu trinken.
    Als ich wieder in mein Zimmer kam, saß der Engel auf meinem Kopfkissen und sah mich abwartend an. «Du hattest einen bösen Traum», hauchte sie leise. Ich nickte stumm und ließ mich wieder ins Bett fallen.
    «Ich werde für dich singen!», rief Ramona enthusiastisch und ich war zu erschöpft, um dagegen zu protestieren. Der kleine Engel hatte eine helle, glockenklare Stimme und sie sang eines der Lieder, die mir meine Mutter als Kind immer vorgesungen hatte. Ich erinnerte mich nur noch sehr vage an die Melodie, aber sie war wunderschön und sie machte mich schläfrig und beruhigte mich irgendwie.
     

Kapitel 5
    «Das ist Bodo», stellte ich Lennard meinen neuen Freund vor. «Er war beim Zirkus und eine der angesehensten Attraktionen, aber dann haben sie ihn herzlos rausgeschmissen, weil sie einen Ersatz für ihn hatten, der weniger Geld verlangt hat. Deswegen war er ziemlich traurig, aber dann hat er seine Liebe zur Mathematik entdeckt und jetzt rechnet er den ganzen Tag.» Ich grinste breit und Lennard sah neugierig zu der

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