Schmetterlingsscherben
flüchtig. «Ich freu mich wirklich, dass du Zeit hattest.»
Jetzt strahlte er wieder. Seine Hand war verschwitzt und klebrig, weil er offenbar richtig nervös war. Aber ich blieb tapfer und widerstand dem Verlangen, mir die Hand an der Hose abzuwischen. Wir gingen händchenhaltend in die Sporthalle, wo Testosteron im Überschuss vorherrschte. Ich war eines der wenigen Mädchen, die sich dieses dämliche Spiel ansahen, abgesehen von ein paar Freundinnen der Mitglieder und einigen kreischenden Verehrerinnen.
Die Hitze stand in der Halle und es roch unangenehm nach Schweiß. Oh ja, es gab tatsächlich eine Menge Orte, an denen ich jetzt lieber gewesen wäre.
Wir bahnten uns einen Weg durch die Zuschauer auf der Tribüne nach weiter hinten durch und fanden zwei Plätze, die noch einigermaßen sauber aussahen.
«Siehst du, das da vorne ist mein Bruder!» Nils deutete auf einen riesigen, schlaksigen Kerl mit rostroten Haaren. Schien in der Familie zu liegen.
Lennard betrat kurz nach uns die Sporthalle und ließ sich provokativ direkt vor uns nieder. Ich ignorierte ihn und lehnte mich an Nils knochige Schulter. Das war mehr als nur unbequem und Nils wirkte angespannt, also änderte ich meine Sitzposition nach einigen Minuten wieder unauffällig.
«Hattet ihr in Hannover auch eine Basketballmannschaft?», fragte Nils. Er war sichtlich darum bemüht, mit mir ins Gespräch zu kommen.
«Äh…» Ehrlich gesagt, hatte ich absolut keinen Schimmer. «Kann sein.»
Nils lächelte mich mit einem typisch jungenhaften Klugscheißerblick an. «Du hast nicht besonders viel Ahnung von Basketball, oder?»
Ich hätte ihm gerne erklärt, dass das der langweiligste Scheiß auf der Welt war und ich lieber Hausaufgaben machte, als bei so einem Spiel dabei zu sein, weil selbst Algebra spannender war, als einer Horde verschwitzter, mittelmäßig attraktiver Kerle dabei zuzusehen, wie sie sich gegenseitig den Ball abknöpften, hielt mich aber zurück. Ich wusste, dass Lennard in der Reihe vor uns die Ohren gespitzt hatte. Er lehnte sich jetzt ganz gemütlich zurück und streckte beide Arme über die Sitzlehnen neben sich aus.
«Nicht wirklich», erwiderte ich also stattdessen und lächelte dümmlich. Das konnte ich mittlerweile richtig gut. Wenn man für ein kleines, naives Mädchen gehalten wurde, ließen Leute einem meistens wesentlich mehr durchgehen. Das hatte ich nicht nur bei Doktor Meineken feststellen können.
«Ich erklär‘s dir!», rief Nils und fing an, die einzelnen Spielerpositionen zu erläutern und anschließend mit den Regeln weiterzumachen. Ich nickte immer mal wieder artig oder lächelte dämlich, ohne wirklich zuzuhören. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich Lennard, der innerlich bebte vor stummem Lachen. Ich spürte einen ganz enormen Drang danach, ihm mit dem Fuß direkt gegen den Hinterkopf zu treten, begnügte mich aber stattdessen mit seiner Sitzschale. Er drehte sich um und sah mich fragend an, während ich mit einem honigsüßen Lächeln «Entschuldigung» hauchte.
Sobald das Spiel anfing, war Nils vorerst beschäftigt und widmete seine ganze Aufmerksamkeit dem Basketball. Lennard schien nicht einmal richtig hinzusehen, ich war mir sogar fast sicher, dass er nur hergekommen war, um mich zu ärgern. Halbherzig versuchte ich dem Spielverlauf zu folgen, ehe ich es irgendwann aufgab.
«Ich bin mal kurz auf Toilette, ja?», flüsterte ich leise zu Nils, damit der Idiot vor uns nichts mitbekam.
«Oh, okay! Weißt du, wo die Klos hier sind?!», brüllte er zurück.
«Äh… Finde ich schon», murmelte ich genervt, stand auf und schob mich an maulenden Zuschauern vorbei, ging den Korridor entlang in den Vorraum der Sporthalle und lehnte mich dort mit dem Kopf gegen die Fensterscheibe. Wir hatten noch nicht einmal die Hälfte überstanden. Was für eine Zeitverschwendung.
Mein Blick fiel auf den ausgestopften Hund, der das Maskottchen des gegnerischen Teams war. Ziemlich unschön, eigentlich. Der wäre mit Sicherheit auch überall lieber als hier in dieser miefigen Turnhalle. Ich konnte bloß hoffen, dass er vor seinem Tod ein erfülltes Leben gehabt hatte.
Der Mops gähnte herzhaft und schnaubte laut, ehe er zu mir herüber sah. Ich zuckte erschrocken zusammen und wich ein Stück zurück.
«Na, freundest du dich mit Garfield an?», ertönte die spöttische Stimme von Lennard, der in dem Gang zu den Tribünen stand. Ich sah ihn vielsagend an. «Der Hund heißt Garfield?! Wer hat sich das denn
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