Schmetterlingsscherben
er wieder direkt hinter mir stand. Konnte er das nicht mal lassen?! Wusste er nicht, dass das aufdringlich war?
«Das würde ich wohl in Kauf nehmen», grinste er. Mein ganzer Körper war wie elektrisiert und wartete nur auf irgendeine kleinste Bewegung, um zu reagieren.
«Ich meine es ernst», knurrte ich und trat einen Schritt nach hinten. Er ging einen weiteren auf mich zu.
«Fass mich nicht an!»
Er seufzte auf. «Ska…»
«Und nenn mich nicht so!» Ich trat noch einen Schritt zurück und er folgte mir wie ein scheiß Magnet.
«Weißt du überhaupt noch, wieso ich dich so genannt habe?», fragte er leise und sah mir in die Augen.
«Keine Ahnung», log ich und starrte auf seine polierten Stiefel. «Ist mir auch egal.» Natürlich wusste ich es noch. Aber ich wollte nicht daran denken. Ich wollte nicht an die Zeit denken, als Lennard noch nicht Lenny Lennard gewesen war…
«Ich glaub dir nicht», lachte er nun. «Aber ich weiß nicht, wieso du mich Lenny nennst.»
«Weil so der hässliche, sabbernde, tote Cockerspaniel meiner Großmutter hieß. Und weil du eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm hast», erklärte ich und fühlte mich ein bisschen besser, weil die Ladung zwischen uns ein wenig nachließ. Lennard lehnte sich zurück und grinste. «Das ist ziemlich fies.»
«Ach tatsächlich?!», fauchte ich. «Soll ich dir mal sagen, was fies ist?! Wenn jemand dir das Herz rausreißt und es in Stücke zerschlägt und alles…»
Lennard hatte mich zu sich gezogen und ich verstummte abrupt. «Tu… das… nicht», zischte ich, ehe er sich zu mir runterbeugte. Mein Herz setzte aus, als er mich küsste und mein Gehirn blockierte jegliche weiteren Gefühlsausbrüche. Mein erster Reflex war ein Tritt auf seinen linken Fuß und der Zweite meine rechte Faust in seinem Gesicht.
Lennard stöhnte auf und ließ mich augenblicklich los, sodass ich endlich etwas Abstand zwischen uns bringen konnte. «Ich hatte dich gewarnt», murrte ich und umklammerte meine Arme, weil ich das Gefühl hatte, gleich auseinanderzubrechen. Meine Lippen kribbelten und ich konnte das Flattern in meinem Bauch nicht abstellen. Scheiße, gottverdammte.
«Ja, das hast du», stimmte er mir zu und fuhr sich mit der Hand über die blutige Lippe. «Du hast einen bemerkenswert harten Schlag für ein Mädchen», nickte er anerkennend.
«Ich hab eine Menge Selbstverteidigungskurse belegt», erklärte ich und sah mich in der Gegend hier um. Wir waren wirklich absolut im Nirgendwo. Wie lange ich wohl brauchen würde, wenn ich von hier aus zu Fuß lief? Es war erst kurz nach zwölf und Doras Mutter würde uns erst um zwei Uhr abholen. Aber ich hatte wirklich, wirklich keine Lust mehr auf diese Party. «Ich geh nach Hause», murmelte ich und schob mich an ihm vorbei in Richtung Haus.
«Du wirst erfrieren.» Lennard lief mir nach. «Oder dich verirren, weil du dich auf dem Land nicht mehr auskennst. Oder ein gestörter Psychopath lauert dir auf und drei Tage später findet dann irgendein Bauer deine zerstückelte Leiche.»
«Wirklich nett. Aber ich bin selbst ein gestörter Psychopath, weißt du doch», nickte ich. «Ich hab keine Angst.»
«Ich fahr dich», erwiderte er trotzdem.
«Nein!», rief ich und stapfte über die Terrasse. In der Nähe von den Heizstrahlern war es wärmer.
«Ich werde dich nicht noch einmal anfassen, versprochen», sagte er. «Und ich kann die Musik ganz laut aufdrehen, sodass wir nicht mal reden müssen, wenn du willst. Aber bitte, lass mich dich fahren.»
«Weißt du eigentlich, wie nervig deine scheiß Fürsorglichkeit ist?», fauchte ich. Er zog eine Augenbraue hoch. «Wirklich? Ich dachte immer, ihr Frauen steht auf so was.»
«Gott, das war ja gar nicht sexistisch», spottete ich und ging zurück ins Wohnzimmer, wo es sogar noch voller geworden war. Meine Schmetterlinge flogen über die Köpfe der Leute hinweg und zeigten mir den Weg bis zur Haustür.
«Dora?», rief ich, als ich den Kobold auf der Treppe entdeckte. Sie redete angeregt mit einem Jungen aus unserer Parallelklasse und sie schien sich richtig gut zu amüsieren.
«Ich geh jetzt, wenn das okay ist?» Ich beäugte sie abschätzend, doch sie sah nicht zu betrunken aus, als dass sie meine Hilfe gebraucht hätte. Aber ich fühlte mich ehrlich gesagt auch schon wieder stocknüchtern.
«Jetzt schon? Aber wie kommst du denn nach Hause?!»
«Ich fahr sie», antwortete Lennard, ehe ich etwas erwidern konnte. Ich warf ihm einen Todesblick zu, nahm Dora kurz in den
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