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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Hazy
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Basketball. Obwohl er es selbst nicht mal in die Schulmannschaft gebracht hatte und das Leben, das er führen wollte, durch seinen Bruder erlebte. Das war fast so erbärmlich wie mein eigenes Dasein. Also passten wir vielleicht sogar ganz gut zusammen.
    «Sehen wir uns heute Nachmittag?», fragte Nils, als es endlich zum Ende der Pause klingelte und die letzte Stunde anbrach.
    «Äh, tut mir leid, ich… muss meinem Vater im Laden aushelfen. Aber wir sehen uns morgen, ja?»
    «Na gut, dann kann ich zum Training fahren und meinem Bruder zusehen», nickte Nils. Er sollte sich wirklich dringend eigene Hobbys zulegen. Aber das sagte ausgerechnet jemand, der selbst keinen Freizeitaktivitäten nachging. Es sei denn, man zählte Gespräche mit Gegenständen dazu.
    Die letzte Stunde verging relativ schnell, weil wir in Englisch bloß einen Film ansahen. Dann konnte ich endlich nach Hause.
    Rüdiger war wie immer bereits fertig mit dem Kochen, als ich zur Tür herein kam.
    «Hey, Pa! Das riecht super. Sag mal, würde es dir was ausmachen, wenn ich heute Nachmittag mit in den Laden komme? Ich war schon so lange nicht mehr da.» Eigentlich interessierten mich seine Bücher relativ wenig, aber ich wollte es nicht riskieren, dass Nils zufällig am Schaufenster vorbeikam und mich dann nirgendwo entdeckte. Oder noch schlimmer, dass er auf dem Rückweg vom Training kurz vorbeischaute, um etwas Spucke loszuwerden. Nicht, dass ich vor meinem Vater ernsthaft mit ihm rumknutschen würde. Aber vielleicht dachte er das.
    «Wirklich?!» Rüdiger strahlte begeistert und stellte die Käsespätzle auf den Tisch. «Klar, ich freu mich! Ich kann dich in unser Warenwirtschaftssystem einführen und dich den Mitarbeitern vorstellen!» Seine Augen leuchteten richtig und ich fühlte mich fast ein wenig schlecht, weil mein Interesse nur geheuchelt war. Aber vielleicht würde es ja ganz lustig werden. Langweiliger als ein Nachmittag allein in meinem Zimmer konnte es auch nicht sein.
    Wir aßen unsere Spätzle und ich ging kurz nach oben, um meine Sachen wegzupacken und mich frisch zu machen, ehe wir gemeinsam in die Stadt aufbrachen.
    Der Buchladen meines Vaters lag ziemlich zentral direkt in der Einkaufsstraße. Es war kein wirklich großer Laden und vollgestopft mit Büchern. Im hinteren Teil gab es zwei große Lehnsessel zum Schmökern und eine Spielecke für Kinder. Erinnerungen von Tagen, an denen ich dort stundenlang gesessen und gespielt hatte, tauchten wieder in meinem Kopf auf. Aber ich war nie allein da gewesen. Lennard hatte die Bücher geliebt. Er war immer wieder aufgestanden und hatte Neue herangeschleppt, um sie mit mir durchzublättern. Mein Vater hatte ihn deswegen fast lieber gehabt als mich. Deswegen hatte Lenny auch quasi Narrenfreiheit bei ihm gehabt und mein Vater hatte ihm alles durchgehen lassen.
    Irgendwie müffelte es hier nach altem Papier und die Regale waren so eng und vollgestopft, dass man Platzangst kriegen konnte. Keine Ahnung, was ich früher so toll daran gefunden hatte. Und erst recht wusste ich nicht, wie mein Vater es schaffte, den Laden am Laufen zu halten.
    «Louise, das ist Karin. Sozusagen meine Geschäftspartnerin.» Mein Vater blieb neben einer Frau Ende dreißig stehen, für die mir einfach kein anderer Begriff einfiel als Öko. Sie trug einen ganz grässlich gemusterten Poncho und hatte überall Holzperlen. An den Ohren, um den Hals, selbst in ihr mittellanges, hellbraunes Haar hatte sie welche geflochten. Sie strahlte mich an und beugte sich zu mir herunter, als wäre ich ein kleines Kind. «Du musst Louise sein!», rief sie. «Schön, dich kennen zu lernen. Wow, du hast ja wirklich tolle Augen!»
    Ich weiß nicht genau, was es war. Vielleicht Rüdigers komische Betonung oder Karins krampfhafte Bemühung um mein Wohlwollen. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass die beiden mehr teilten als diesen Laden. Keine Ahnung, warum er mir nichts davon erzählt hatte. Vielleicht war er der Meinung, es würde mich irgendwie verstören, nachdem Ma tot war. Aber es war ja nicht so, als hätte meine Mutter niemals eine andere Beziehung nach ihm gehabt.
    «Freut mich», nickte ich und musterte sie skeptisch. Sie lächelte verunsichert und ging dann fluchtartig zu einem Kunden, der den Laden betreten hatte.
    «Und? Was willst du als Erstes machen? Soll ich dir die Mitarbeiterräume zeigen?»
    «Ich würd am liebsten einfach ein bisschen rumgucken, wenn das okay wäre», murmelte ich. Rüdiger nickte. «Klar, auf jeden

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