Schmidts Bewährung
Ach Mist, Schmidtie, ich liebe dich, und ich denke an dich. Duweißt, was ich meine? Sie lachte. Die andere Stimme auf dem Anrufbeantworter war Bryans weinerliches Organ; es versprach, morgen vorbeizukommen, so früh wie er es einrichten könne.
VI
Früh am Morgen, zwischen Schlaf und Wachen, malte er sich aus, wie es kommen mußte: Penetrant zutraulich stellt Bryan seinen Rucksack auf den quadratischen Küchentisch im Poolhouse, dazu die Rolle, in der er seine Gemälde transportiert – in Florida hat er wieder gierig große Bögen Packpapier mit Acrylfarben in seinen Lieblingstönen Giftgrün, Magenta, Purpur und Pink zugeschmiert, wie damals, als er im Quartier seines Kumpels in Springs malte, ja, er ist nun entschlossen, auf Papier zu arbeiten, mit Leinwand und Spannrahmen hat man immer so viele Umstände – und führt auch den spiegelblanken Werkzeugkasten mit, von dessen Inhalt Schmidt sich bedroht fühlt, obwohl er ihn gar nicht kennt. Der Junge hat sich verändert. Ein gelblicher Ziegenbart ergänzt den langen gelben Pferdeschwanz, und fetter und schmuddeliger ist er geworden, man sieht es vor allem an seinen Händen und diesen scheußlichen Fingern mit den abgekauten Nägeln. Genau genommen ist an Stelle der Nägel nur noch nässender Schorf. Aber unter dem Fett seines schweren Körpers liegen noch dieselben Muskeln, gestählt wie nach der Ausbildung im Marinesoldatencamp, nur daß er nie Marinesoldat gewesen ist, sondern einfach ein Kerl, der einem den Arm so nebenher auskugeln kann, während er seinen Joint pafft. Stärker als Michael Mansour. Der wahre McCoy, jede Wette. Klar, sagt er, er bleibe jetzt hier, er sei daheim. Daheim ist, wo sie dich reinlassen müssen, wenn du kommst, weil’s anders nicht geht, stimmt doch, Albert, oder? Heiliger Strohsack, denkt Schmidt, nur weg hier, der Kerl zitiert Lyrik, ich muß telefonieren. Aber es ist schwierig für Schmidt, sich zum Telefon zu retten, dennBryan bleibt ihm dicht auf den Fersen, zuerst im Haus und dann im Garten, und wahrscheinlich gibt es nur eine Möglichkeit, ihn abzuschütteln: Schmidt muß sagen, daß er den Pizzadienst anruft. Wenn dann der Pizza-Lieferwagen schon in der Einfahrt ist, wird er hinausgehen, um mit seiner Kreditkarte zu bezahlen, und den Fahrer anflehen, ihn mitzunehmen und schleunigst zur Polizeiwache in Southampton zu bringen, das heißt, falls Bryan ihm nicht zum Lieferwagen folgt, was er bestimmt tun wird, wenn er nicht gerade auf dem Klo sitzt. Natürlich hätte er die Polizei in Southampton sofort anrufen müssen, als er erfuhr, daß Bryan auf dem Weg war, aber wie hätte das gehen sollen, ohne Kenntnis von Datum und Nummer des Haftbefehls, der in Florida gegen ihn vorliegt, also ist alles die Schuld des Krankenhausdirektors oder aber Schmidts Schuld, weil er ihn nicht danach gefragt hat. Andererseits ist noch nichts verloren, noch ist es nicht zu spät, denn Bryan wird niemals von der Bushaltestelle ein Taxi nehmen, er wird Schmidt anrufen und darum bitten, abgeholt zu werden, und das wird Schmidts große Chance.
Dann fällt Schmidt ein, daß er im Bett liegt und daß Bryan im Augenblick Gott weiß wo sein mag, auch wenn es so sicher wie das Amen in der Kirche ist, daß er hier auftauchen wird – aber erst später, nicht schon jetzt. Der Wecker auf dem Nachttisch zeigt sechs Uhr früh. Also ist es nicht zu spät, die Polizei in Florida anzurufen, herauszufinden, ob es einen Haftbefehl für Bryan gibt, und wenn die Auskunft positiv ist, wenn der kleine Scheißer die Kaution verlorengegeben und sich verdrückt hat, dann ist es an der Zeit, die Bullen in Florida mit den Bullen in Southampton in Kontakt zu bringen und ihn hier schnappen zu lassen, bevor er weiß, wie ihm geschieht. Bis die Tage, schön, daß ich dich kennengelernt habe! Nur daß Bryan derjenige ist, der sich verabschieden muß. Mr. Schmidtwird sich nicht von der Stelle rühren; er bleibt in seinem gemütlichen Haus, in dem alles wie geschmiert läuft und gleichmäßig tickt wie eine Schweizer Kuckucksuhr. Das ist der Lohn der Tugend, wenn sie zusammengeht mit Reichtum und einer unangreifbaren Stellung im Gemeinwesen. Er gibt seinen Namen und Adresse an. Der Verteiler in der Zentrale verbindet ihn mit Inspektor Smith oder Inspektor Jones. Danke, mein Herr, daß Sie uns diese ärgerliche Angelegenheit zur Kenntnis gebracht haben. Wir werden einen Streifenwagen bereithalten. Jawohl, mein Herr, kein Grund zur Beunruhigung für Sie. Dafür sind wir ja da!
Wie
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