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Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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trank. Halb drei, Charlotte mußte im Büro sein, wenn sie nicht gekündigt hatte oder einfach nicht zur Arbeit gegangen war. Um Gottes willen: Hoffentlich hatte sie nicht überstürzt etwas Törichtes getan. Er nahm den Hörer ab und sagte: Ich habe schon auf dich gewartet.
    Das war, wie er sofort merkte, ein falscher Anfang für das Gespräch, aber er hatte gar nicht im Sinn gehabt, sie in irgendeiner Weise zu tadeln. Zum Glück nahm sie es nicht zu ernst.
    Mein Gott, Dad, ich glaube, ich habe nicht gesagt, wann ich anrufen würde.
    Ich weiß, ich weiß. Es ist ja alles in Ordnung. Hier hat es geregnet, deshalb hielt ich mich im Haus auf, das ist alles. Wie geht’s dir?
    Was glaubst du? Scheußlich. Ich gehe heute morgen ins Büro, und er steigt mit mir in den Fahrstuhl. Er hatte die Frechheit, mich zu küssen. Beinahe hätte ich ausgeholt und ihm eine geknallt.
    Ich bin froh, daß du das nicht getan hast. Kommst du am Freitag? Ich freue mich sehr darauf.
    Dad, ich glaube nicht. Es ist etwas dazwischengekommen. Renata möchte mich sehen. Sie und Myron machen Ferien in Claverack, sie kommt also extra in die Stadt. Es ist wohl wichtig, nehme ich an.
    Oh.
    Warum es wichtig für Charlotte war, die Mutter des Mannes zu sehen, mit dem sie in Scheidung lebte, wichtiger jedenfalls, als ihren eigenen Vater zu besuchen, begriff Schmidt nicht unmittelbar, aber durch Fragen war wohl auch nicht viel zu gewinnen. Wieder einmal wurde ihm klar, wie wenig er wußte, und er fragte vorsichtig: Wo wohnst du eigentlich, fällt mir gerade ein? Doch wohl nicht mehr in Mr. Polks Wohnung?
    Machst du Witze? Als er mir die großartige Neuigkeit erzählte, bin ich sofort, am selben Tag noch, ausgezogen.
    Und wohin, mein Schatz? Ich glaube, das hast du mir nicht erzählt.
    Ich wohne bei einer Frau, die hier arbeitet. Marcia Schwartz. Du kennst sie nicht.
    Verstehe. Nicht in deiner eigenen Wohnung.
    Dad, das ist doch nicht dein Ernst. Da wohnt Jon.
    Meine Güte, sagte er, das heißt also, ihr habt euch noch nicht über die finanziellen Regelungen und so weiter geeinigt. Aber die Anwälte arbeiten daran?
    Wir sind überhaupt nicht vorangekommen. Ich will von Jon keine Unterhaltszahlung und so was, also ist das kein Problem, aber er will mir das Haus auf dem Land nicht überschreiben, und aus dem Apartment will er noch immer nicht ausziehen. Seine Eltern sind unsere Nachbarn in Claverack. Deshalb sagt er, wir sollten das Haus gemeinsam haben. Ich verstehe das nicht. Ich habe die Scheidung beantragt, was immer das heißen mag.
    Ich verstehe das auch nicht. Und die Darlehen, die ihr beide zusammen beantragt habt? Wer zahlt die zurück?
    Er kann jetzt nicht, sagt er. Also zahle ich wohl. Ich wollte dich bitten, mir dabei zu helfen.
    Verstehe. Und was hält dein Anwalt denn von dem Ganzen?
    Joe Black? Wir sollen vor Gericht gehen, sagt er. Deshalb hat er diese Papiere eingereicht. Ich denke mir, das ist der Grund, warum Renata sich mit mir treffen will.
    Hast du mit Mr. Black über dieses Treffen gesprochen? Hält er es für eine gute Idee? Normalerweise überläßt man derartige Verhandlungen dem Anwalt.
    Dad, es ist mein Leben, vergiß das nicht. Renata war immer eine Freundin für mich. Die beste, die ich je hatte. Als ich ihr erzählte, wie Harry mich abgeschoben hat,sagte sie sofort, ich sollte wieder in das Apartment einziehen.
    Um da mit Jon zu wohnen?
    Das nehme ich an. Sie sagte, es sei sein Vorschlag. Er habe immer gesagt, ich könne, wenn ich wolle, jederzeit wieder einziehen. Jedenfalls muß ich jetzt gehen. Mach dir ein schönes Wochenende.
    Schmidt hatte den Eindruck, daß sie mit diesen Worten aufhängen wollte, ohne ihm die Chance einer Entgegnung zu geben. Vielleicht war es ganz gut so. Die Worte, die ihm schon auf der Zunge lagen: Um Himmels willen, hast du immer noch nicht genug von den Rikers? waren nutzlos. Das wußte sogar er. Aber er wollte nicht aufgeben.
    Nicht so hastig, Charlotte, fiel er ihr ins Wort. Ich bin kein Schnüffler, ich versuche ja auch, mich nicht einzumischen, jedenfalls nicht sehr, aber wenn ich mir’s recht überlege, ist es doch ganz ungewöhnlich, daß ich bis vor einem Moment noch nicht einmal wußte, wo du wohnst. Oder wie weit du mit deiner Scheidung bist. Daß die Scheidung mich nichts angeht, kannst du nicht sagen, und nicht nur, weil du mein einziges Kind bist. Im Zusammenhang mit der Scheidung müssen finanzielle Fragen geklärt werden, es geht um das Geld, das deine Mutter dir vererbt hat, und

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