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Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Bestellung aufgegeben hatten, ging Renata sofort zum Angriff über und fragte ihn: Hast du mir gar nichts zu sagen? Darauf entgegnete er, ganz vernünftig, wie er fand, sie habe das Treffen vorgeschlagen. Er sei gekommen, um ihr zuzuhören.
    Also wirklich, sagte sie, ich hätte schon angenommen, daß du das dringende Bedürfnis hast, mit ein paar Worten auf die Art und Weise, wie deine Sozii bei Wood & King Jon behandelt haben, einzugehen. Ich hätte angenommen,du bedauerst es sehr, daß du ihn nicht verteidigt hast, und möchtest das vielleicht zum Ausdruck bringen.
    Ich weiß von der ganzen Sache nur, was in der Zeitung stand, und das paßte zu dem, was Jack DeForrest mir erzählt hatte. Weder du noch Jon habt mir auch nur andeutungsweise geschildert, was passiert ist, geschweige denn eine Darstellung gegeben, die anders, weniger belastend, für ihn gewesen wäre.
    Glaubst du immer alles, was du liest?
    Niemand hat mich nach meiner Meinung gefragt. Meine ehemaligen Sozii müssen allerdings eine ungewöhnlich klare Meinung von Jons Verhalten als Anwalt haben. Nach allem, was ich gehört und gelesen habe, war es abscheulich. Sonst hätten sie nicht einstimmig beschlossen, ihn aus der Kanzlei auszuschließen, anders kann ich es mir absolut nicht vorstellen.
    Gelyncht haben sie ihn. Jack DeForrest und seine Komplizen haben ihn vorweg auf blauen Dunst verurteilt, und die anderen haben sich angeschlossen. Das ist alles. Jon war der Sündenbock.
    Der Sündenbock wofür?
    Für die Idioten, die deine Kanzlei leiten. Für ihre bigotten, verfehlten Urteile. Für die Ungerechtigkeit. Für diesen senilen Mann mit dem lächerlichen Namen – Buzz Williams! –, der eine Untersuchung durchgeführt haben will.
    Schmidt gab keine Antwort. Es war nicht mehr seine Sache, sich für die Unfehlbarkeit DeForrests oder des Direktoriums von W&K einzusetzen. Generell hatte Renata recht, das wußte Schmidt, so funktionierte eben die Kanzlei. Aber in diesem besonderen Fall? Darüber dachte er lieber nicht nach. Es kam wirklich nicht darauf an, was er dieser Frau sagte: Sie würde ihm jedes Wort im Mund umdrehen und alles gegen ihn und seine alte Firma kehren – und Jon erzählen. Sie hatte ihren Wein ausgetrunken unddrehte das leere Glas zwischen den Fingern. Das bot ihm die Gelegenheit, sich ihrem starren Blick zu entziehen. Er gab dem Kellner einen Wink, ihr Glas nachzufüllen; seines hatte er kaum angerührt.
    Du trinkst nicht mit mir, bemerkte sie. Das ist neu.
    Ich muß nach Bridgehampton zurückfahren. So einfach ist das.
    Und du weißt, daß ich recht habe: Sie haben Jon so behandelt, wie ich dir sage. Deshalb bist du so schweigsam – ganz gegen deine Gewohnheit.
    Renata, sagte er, ich dachte, du hättest mich hierher zitiert, um mit mir über unsere Kinder zu reden. Das heißt für mich: über das, was ihnen passiert ist, und über Jons beschämende Weigerung, Charlottes Eigentum herauszugeben. Wenn Jon meint, die Kanzlei habe ihm unrecht getan, dann ist oder war er jedenfalls als Anwalt versiert genug, um zu wissen, wie man Schadenersatz einklagen kann. Es hat keinen Sinn, mir damit in den Ohren zu liegen.
    Sie verstummte und fuhr sich durchs Haar. Dann sagte sie sehr leise: Ja, ich sehe aus wie eine alte Frau. Es würde dir nicht mehr einfallen, mir nahe zu kommen. Dies alles ist in der Woche passiert, als deine Kanzlei Jon rausgeworfen hat. Kummer und Scham. Das Haar meiner Urgroßmutter wurde während eines Pogroms weiß. Man hat ihren Vater auf der Straße vor seinem Haus zusammengeschlagen und ihm den Bart ausgerissen. Vom Dachboden aus hat sie zugesehen; dort war sie mit den anderen Kindern versteckt. Stell dir vor: Sie war erst neunzehn!
    Er fing an zu murmeln, wie leid ihm das tue, aber sie unterbrach ihn sofort.
    Dir geht es offenbar gut, Schmidtie, ich kann sehen, daß nichts in der Welt dir Sorgen macht. Eine bemerkenswerte Erziehung! Ist dir wirklich nie in den Sinn gekommen, daßdu versuchen könntest abzuwenden, was sie Jon angetan haben? Für deinen Schwiegersohn einzutreten? Gegen die Ungerechtigkeit?
    Nein, nie, entgegnete er. Wie ich schon klargemacht habe, tat die Firma nach meinem Eindruck nichts, wozu sie nicht berechtigt war.
    So leicht kommst du mir nicht davon. Weißt du nicht tief innen, daß Jon dieser Frau niemals die Gerichtsakten gegeben hat? Der Richter hat es begriffen. Es gab keine Strafe und keinen Verweis für Jon. Der Fall ist abgeschlossen.
    Jon hat großes Glück gehabt. Seine Reue muß den

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