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Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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bigotten, selbstgerechten Sozii, haben ihn zuGrunde gerichtet. Er klammert sich an dieses Eigentum wie an ein Floß.
    Dann solltest du ihn zur Vernunft bringen. Wenn du als Mutter das nicht kannst, verschaffe ihm professionelle Hilfe. Oder gib ihm Geld! Zum Beispiel das Geld, das du den beiden für den Kauf des Apartments versprochen hast.
    Das können wir nicht – ausgeschlossen. Meine Praxis ist nicht mehr, wie sie mal war. Ich mache noch Analysen, so wie ich es gelernt habe und wie man sie meiner Überzeugung nach durchführen muß, aber solche Analysen können sich nur noch sehr wenige Patienten leisten. Und sie sind fast alle alt. Die Versicherungsleistungen für Analysen sind nicht der Rede wert. Myron hat Gruppentherapie gemacht. Es gibt Stellen für klinische Psychiater, die er bekommen könnte, wenn er nicht schon an der Altersgrenze wäre. Und alles wird schlecht bezahlt. Vor Jahren meinten wir immer, wir seien mehr als gut dran. Jetzt habe ich Angst.
    Das tut mir ehrlich leid. Nur so aus Neugier: Diese Geschichte, die Charlotte mir erzählt hat, daß du Jon kein Geld für das Apartment geben wolltest, damit er nicht zu abhängig von dir sei, ist das nur ein Humbug, den du dir ausgedacht hast, weil du damals schon das Geld für ihn nicht aufbringen konntest?
    Ja, die Geschichte habe ich mir ausgedacht.
    Also wirklich!
    Nein, Schmidtie, jetzt habe ich dich angelogen: Jon hat sie sich ausgedacht, weil er wußte, daß wir zu wenig Geld hatten. Er wollte nicht, daß Charlotte es erfuhr, nicht zu dem Zeitpunkt. Das war dumm von ihm.
    Nicht nur dumm. Unbegreiflich. Und unentschuldbar. Als W&K-Teilhaber hätte er mehr Kredit aufnehmen können. Sie hätten den Kauf des Apartments aufschieben können. Sie hätten mit mir reden können. Aber das alles ändert nichts an Jons Pflicht. Ich bin wirklich entsetzt. Übrigens mußt du nicht soviel Mitleid mit ihm haben, er soll sich nicht an deiner Schulter ausweinen. Er müßte eine Position als Sozius einer anderen Kanzlei in New York finden können – nicht ganz auf dem Niveau von W&K, aber immer noch durchaus akzeptabel. Oder eine gute Stelle bei einer Gesellschaft. Es gibt einen Markt für erfahrene Anwälte, die Nachfrage ist groß.
    Woher weißt du das?
    Sie hatte ihn durchschaut. Er improvisierte und war nicht bereit, das zuzugeben.
    Das habe ich gehört, fuhr er fort. Viele Talentsucher spezialisieren sich auf die Vermittlung von Stellen an erfahrene Anwälte.
    Mit solchen Leuten müßte er sich in Verbindung setzen.
    Sie stocherte in ihren Ravioli, ließ es, kramte in ihrer Handtasche, zog ein winziges besticktes Taschentuch hervor, wußte offenbar nicht, was sie damit sollte, und steckte es wieder ein. Schmidtie, hast du begriffen, was ich dir gerade von Jons Lage, von seinen Gefühlen erzählt habe?
    Natürlich.
    Gestehst du den beiden die Möglichkeit zu, daß sie sich lieben?
    Davon weiß ich nichts.
    Und trotzdem bleibst du bei deinem Brief?
    Ja. In meinem Brief steht nichts, was die beiden daran hindern könnte, wieder zusammenzufinden, wenn sie das wollen – vorausgesetzt, er schlägt sich aus dem Kopf, ihr Geld zu bekommen. Ganz einfach: Ich werde Charlotte keinen Pfennig mehr so geben, daß er Zugriff darauf hat.
    Es stehlen kann, meinst du.
    Das habe ich nicht gesagt.
    Damit machst du Charlotte bestimmt unglücklich. Wiekann sie mit deiner Mißbilligung vor Augen zurückkehren und glücklich sein? Du verachtest Jon.
    Du hast keinen Grund, an meinen Motiven zu zweifeln. Meine Einstellung zu Jon – ich meine zu Jons Weigerung, Charlotte ihr Eigentum zurückzugeben – ist, wie sie ist, aber ich kann dir und Charlotte, denn ohne Zweifel wirst du ja mit ihr sprechen, versichern – falls Charlotte diese Sicherheit braucht –, daß ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um sie glücklich zu machen. Aus freiem Willen. Aus Vernunft. Ohne daß du mich dazu drängen müßtest.
    Er winkte dem Kellner.
    Ich esse fast nie Nachtisch. Macht es dir etwas aus, darauf zu verzichten? Nein? Dann lasse ich mir die Rechnung geben.
    Als er bezahlt hatte, fragte sie ihn plötzlich: Schmidtie, vorhin, als wir anfingen zu essen, sagtest du, Jon habe sich abscheulich benommen. Hast du in deinem Beruf je etwas getan, von dem man dasselbe sagen könnte? Ich meine damit nicht, daß du deine Frau betrogen hast. Du weißt schon, zum Beispiel mit der Vietnamesin, die euer Babysitter war. Charlotte hat mir davon erzählt. Ich meine etwas anderes, etwas, das vergleichbar mit

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