Schmidts Bewährung
und gar durchschaut hatte und wußte, daß er bei dem Spiel mit Schmidt nichts riskierte. Schmidt würde ihn zuverlässig vom Haken lassen, bevor ein Angebot stand und ein Versprechen zu brechen oder zu halten war. Ein schwacher Trost: Mit Renata war er geschickter umgegangen als mit Mike und geschickter, als Mike begriff. Womöglich hatte Mike sich nicht die Mühe gemacht, Schmidt genau zuzuhören; wahrscheinlich hatte er es unterhaltsamer gefunden, eine eigene Version der Sache zu zimmern, die er Schmidt über den Schädel schlagen konnte. Auch das machte keinen Unterschied. Seine Version kannte er und konnte mit einiger Befriedigung an ihr festhalten.
Am Ende hatte er es sich anders überlegt und eine Nachricht auf ihren Anrufbeantworter gesprochen: Sie möge bitte nicht in den Club kommen. Wenn er schon den Furien zum Opfer fallen sollte, dann lieber an einem unverbindlichen Ort, nicht auf diesem geheiligten Gelände. Er gab ihr die Adresse eines norditalienischen Restaurants, in das er Versicherungsagenten und Anwälte immer dann geführt hatte, wenn er einerseits annahm, sie würden ein Mittagessen im demokratischen Harvardclub als unzureichende Belohnung für die ihm zugeschanztenAufträge ansehen, andererseits aber fürchtete, in seinem vornehmeren Club oder in dem französischen Restaurant, das er mit Mary oder solchen Mandanten aufsuchte, die zwar in den Club gepaßt hätten, aber das Essen dort nicht mochten, würden diese Herren nur unangenehm auffallen. Der Oberkellner, ein bulliger Sizilianer, war sein Freund. Er würde ihm einen Ecktisch reservieren, in größtmöglicher Entfernung vom Gebrüll der Investmentbanker, Anwälte und Mandanten, die sich beim Essen gegenseitig an Lautstärke übertrafen. Schmidt nahm an, daß dieser Sizilianer ihm notfalls auch den Gefallen tun würde, Renata auf die Straße zu werfen. Danach würde er dann mannhaft den Arm um Schmidt legen und etwas über die alte strega und deren bösen Blick murmeln. Sie wartete schon auf ihn. Da er gute fünfzehn Minuten zu spät kam, weil das erste Parkhaus, das er ansteuerte, besetzt war und der Weg zum zweiten erst nach Westen und dann nach Osten durch Seitenstraßen führte, in denen sich der chaotische Mittagsverkehr staute, hatte er von Anfang an schlechte Karten, obwohl er im Restaurant angerufen hatte, damit Renata wußte, daß er nur Minuten entfernt war und sie nicht versetzen wollte. Das hatte nichts geholfen. Sie nutzte ihren Vorteil prompt. Es sei nur zu verständlich, daß man durch das eine oder andere Hindernis aufgehalten werde, wenn man zu einer Verabredung gehe, die man ungern getroffen habe, erklärte sie ihm. Also sei Verständnis für das Motiv die empfehlenswerte Reaktion auf ein solches Verhalten, Ärger sei hier nicht angebracht. Woraufhin er wortlos für sich die Konsequenz zog: Hier werde offenbar kein Pardon gegeben, und deshalb stärke er sich am besten mit Gin. Sie verzichtete und trank Tomatensaft; daraus schloß er, daß sie hoffte, der Gin würde ihm die Zunge lösen. Der Effekt trat auch ein, jedenfalls so weit, daß er nach dem Ergehen des männlichen Dr. Rikerfragen und seine Befriedigung zum Ausdruck bringen konnte, als er hörte, die Familie Riker habe über mangelnde Gesundheit nicht zu klagen. Weiter ging er nicht, er fragte weder genauer nach, noch kommentierte er Renatas Aussehen. Dabei hatte ihn überrascht, wie sehr sie gealtert war. Vielleicht lag es an ihrem Haar, das jetzt eisgrau und nicht mehr zu einem straffen Nackenknoten frisiert war. Statt dessen trug sie einen altmodischen Pagenschnitt, wie man ihn früher bei jungen Mädchen gewohnt war. Er registrierte die gelblichen Schatten unter ihren großen Augen, die den heiteren Ausdruck verloren hatten, die neue Hagerkeit des Aztekengesichts und die veränderte Haltung. Sie wirkte etwas zusammengesunken, ging sie womöglich gebeugt? Auch ihre Aufmachung hatte an Frische und Attraktivität verloren, obwohl sie wieder – darauf hätte er schwören können – ein Chanelkostüm trug, eines aus der Zeit vor ihrer Veränderung. Ihm kam der unangenehme Verdacht, daß diese Chanelkleidung nicht das war, was sie normalerweise trug, wenn sie donnerstags zum Essen ausging, sondern eine Anspielung auf das letzte gemeinsame Mittagessen sein sollte. Die Finger ihrer rechten Hand waren nikotinfleckig. Sie hatte viel durchgemacht, wohl mehr als er, aber bei dieser Beobachtung kam kein Mitgefühl in ihm auf.
Vielleicht ganz gut so, denn nachdem sie ihre
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