Schmidts Bewährung
Bauchredners, die ununterbrochen vom Geschmack und Geruch ihres Schweißes faselte. Hey, du sollst mehr schwitzen, krächzte er, womit er Eulen nach Athen trug, denn sie waren ohnehin schon beide schweißgebadet. Zu guter Letzt, als die Flasche leer war und sie abwechselnd in immer kürzeren Abständen für Augenblicke schnarchend in Schlaf versanken, spürte er während einer Verrenkung, die sie in die obere Position brachte, so daß ihr Torso zwischen seinen Beinen auf und ab glitt, endlich die Nässe, die Erleichterung und die klebrige Kälte.
Er sorgte dafür, daß er zum Zeitpunkt ihres Besuchs bei W&K zwei Tage lang auf einer Geschäftsreise in Boston war, nachdem er Jack DeForrest, seinen damals engsten Freund, gebeten hatte, sie an seiner Stelle von Sozius zu Sozius zu geleiten. Damit war er auf der sicheren Seite: Jack war unglaublich begriffsstutzig in allen Fragen, die nichts mit rechtlichen Problemen oder Firmenpolitik zu tun hatten. Schmidt gab ihm einen kurzen Brief für Laverna, vorsichtig, herzlich und unpersönlich zugleich formuliert, so daß er sich nicht kompromittierte und sie trotzdem versöhnlich stimmte, falls das nötig wäre. Auf den Kriegspfad wollte er sie nicht treiben. Zu seinem Entsetzen wurde ihr eine Woche später ein Stellenangebot zugeschickt. Danach verstrich ungefähr ein Monat, und in dieser Zeit malte er sich die scheußliche Unannehmlichkeit aus, die ihre Anwesenheit in der Kanzlei bedeuten würde, auch wenn sie sich verhielte, als ob nichts vorgefallen wäre. Dann bekam er erst die Kopie eines Briefes, den sie an den für Stellenangebote zuständigen Personalleiter adressiert hatte – sie lehnte das Angebot ab –, und dann einen Brief von ihr, im Ton ähnlich unverbindlich wie sein Schreiben an sie; darin teilte sie mit, sie sei zu der Überzeugung gekommen, daß ihr Verwaltungsarbeit mehr liege, und habe deshalb eine Stelle im Justizministerium angenommen. Wenn er je nach Washington D.C. käme, würde sie ihn gern wiedersehen. Die Vorstellung, daß sie erreichbar war – nicht in New York, aber nicht weit davon, und außerhalb des W&K-Bereichs –, regte ihn zu erotischen Tagträumen an. Dabei beließ er es dann aber auch. Er wünschte ihr viel Glück, machte jedoch keine Anstalten, sie wiederzusehen.
Und seine vielgerühmte, alles überrollende Rechtschaffenheit? Sie war nach Schmidts Meinung eine Frage der Betonung, wenn nicht der Definition. Daß er Kollegen und Mandanten geradezu mit Forderungen erschlagen hatte, die er in seiner eifernden Rechtlichkeit an die Rechtspraxis stellte, das war nicht zu bezweifeln. Ob er das Recht hatte, den ersten Stein zu werfen, stand auf einem anderen Blatt. Falls je der Tag anbrach, an dem alle Sünden ans Licht kämen, dann wußte er eine, die in ihm den Wunsch weckte, sein Grab bliebe verschlossen noch über alle Ewigkeit hinaus. Die Finanzierung petrochemischer Anlagen an der Küste des Golfs von Texas führte zu einer ganzen Reihe von Verträgen mit einer riesigen Erdölgesellschaft, die Sicherheiten für ein Darlehen von mehreren Milliarden Dollar bot und sich als Gegenleistung für dieGewährung eines Kredits in dieser Höhe zur Lieferung ihres Produkts verpflichtete. Vertragsbestimmungen regelten im Detail, wieviel Erdöl jeweils in einem gegebenen Zeitabschnitt gekauft und bezahlt werden mußte und in welcher Höhe Zahlungen fällig wären, auch wenn das Produkt nicht mehr verfügbar sein sollte. Diese Bestimmungen allein füllten ungefähr hundert Seiten. Darin steckten, wie der Kern in einer Pflaume, mathematische Gleichungen, die auf eine Formel brachten, was während der Verhandlungen in Worten beschlossen worden war, und Definitionen von ausgesuchter Komplexität darstellten. Von ausgesuchter Schönheit, so behauptete Schmidt, der als Berater des Syndikats, das die langfristigen Kredite gewährte, die Hauptverantwortung für die Formulierung trug. Als die Zeit zur endgültigen Fassung der Vertragsdokumente gekommen war, reagierte er wohlwollend und entgegenkommend auf die in letzter Minute geäußerten Änderungswünsche der Ölgesellschaft; zwar waren sie seiner Meinung nach zum größten Teil unnötig, aber er vertrat die Theorie, es sei politisch klug, wenn man den Anwälten der Ölgesellschaft Gelegenheit gebe zu zeigen, daß sie nicht in jedem Fall vor den Kreditgebern und Schmidt kapitulierten.
Ein Änderungswunsch – er bezog sich auf eine Formel und wurde mit großem Nachdruck vom Seniorpartner der Kanzlei, die
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