Schmidts Bewährung
Hauptberater der Ölgesellschaft war, vorgebracht – versetzte Schmidt in Erstaunen und Erheiterung. Er hörte sich die einleitenden, sehr persönlich gehaltenen Bemerkungen an: Der ausgezeichnete Anwalt berief sich auf die vielen schwierigen Fälle, die er und Schmidt so kollegial und wirksam bearbeitet hätten. Einen kleinen Haken hatte die Sache: Die Änderung würde sich, falls ein Gericht den Vertrag als lediglich modifiziert gelten ließe, auf unbillige Weise gegen die Interessen der Ölgesellschaftauswirken. Sein Freund, der Anwalt der Gesellschaft, war im Begriff, einen grotesken Fehler zu machen: Er hatte sich um hundertachtzig Grad gedreht und blickte nun in die falsche Richtung. Selbstverständlich wäre es unhöflich gewesen, ihn auf der Stelle darauf hinzuweisen, vor den Ohren der großen Gruppe der Konferenzteilnehmer am Tisch, zu der auch Geschäftsleute der Ölgesellschaft gehörten, aber Schmidt hätte immerhin etwas Aufschiebendes sagen können, zum Beispiel, daß er den Änderungswunsch prüfen werde, und dann erst seinen Mandanten und danach dem Freund unter vier Augen erklären sollen, warum die Änderung nicht zu empfehlen sei. Statt dessen strich sich Schmidt mit der Hand über die Augen, als wollte er einen beginnenden Kopfschmerz verscheuchen, und flüsterte dem Mitarbeiter, der die Änderungen genau verfolgte, die Anweisung zu, keine Einwände gegen diese Modifizierung zu erheben. Darauf entschuldigte er sich und verließ den Konferenzraum für ein paar Minuten, um mit Herzklopfen im Korridor auf und ab zu gehen. Prompt wurde die Änderung vollzogen und in die endgültigen Vereinbarungen aufgenommen, die am nächsten Tag feierlich unterzeichnet wurden. Schmidt wartete, bis er die Gewißheit hatte, daß nur er von dem Fehler wußte. Erst dann und nachdem er dem Hauptkreditgeber erklärt hatte, was er vorhatte, schrieb er dem Anwalt der Ölgesellschaft einen Brief, in dem er mitteilte, daß er der fraglichen Änderung aus Höflichkeit zugestimmt habe, obwohl ihm sofort Zweifel an ihrer Vernünftigkeit gekommen seien. Inzwischen habe er Zeit gefunden, sie gründlich zu studieren, und sei sich nun sicher, daß sie nicht der Absicht des Kollegen oder der Ölgesellschaft entsprechen könne. Er gab die Gründe dafür an und erklärte, er habe seinen Mandanten bereits empfohlen, einen Zusatz zu den Verträgen zu unterzeichnen, der den Fehlerkorrigiere und den ursprünglich beabsichtigten Text wiederherstelle. Ein solcher berichtigender Zusatz wurde dann auch unterzeichnet. Der hervorragende Anwalt der Gegenpartei sprach und schrieb beredt über die bemerkenswerte, ja beispielhafte Verbindung von analytischen Fähigkeiten und Rechtschaffenheit, die Schmidt auszeichne und die in der Zunft mittlerweile Seltenheitswert habe. Mehrere Mitglieder des Konsortiums der Kreditgeber ergriffen ebenfalls die Gelegenheit, ihm zu schreiben und dem alten Dexter King, der damals noch geschäftsführender Partner der Kanzlei war, Kopien ihrer Briefe zu schicken, damit aktenkundig würde, wie stolz sie darauf waren, Schmidt zum Anwalt zu haben.
Wohl möglich, daß Dr. Renata nicht die Begabung oder die Ausbildung hatte, die man braucht, um einen Zeugen zum Reden zu bringen, ihn dermaßen unter Druck zu setzen, daß er alles sagt, so lange, bis auch die letzte Übeltat, die eine, die auf immer im dunkeln hätte bleiben sollen, ans Licht gekommen ist. Aber eines mußte Schmidt ihr lassen: Wenn es darum ging, ihn zur Gewissensprüfung zu zwingen, war sie nicht ungeschickt. Zugegeben, er war ein Abgrund. Vielleicht tiefer und schwärzer als Jon Riker. Aber er hatte den Eindruck, daß das keine Rolle spielte. Vor allem hatte er sich nie erwischen lassen. Er bemühte sich, Übeltaten zu vermeiden. Seine eigenen Sünden verboten ihm nicht, darauf zu bestehen, daß Jon Riker sich gegenüber Charlotte anständig zu verhalten habe. Allenfalls konnten sie seine Verachtung dämpfen.
XI
Sie waren im Bett, Carrie sah im Fernsehen das Spiel der Knicks, Schmidt las. Die Lektüre von Phineas Redux hatte er aufgegeben; zum ersten Mal war er nicht in der Lage, Trollopes Begeisterung für Phineas oder Lady Glen oder Mr. Plantagenet Palliser zu teilen, zum ersten Mal hatte er nicht das Gefühl, daß wahre englische Ladies und Gentlemen über Zeit und Raum hinweg seine Mitstreiter im Geiste seien. Statt dessen hatte er James’ Das unbeholfene Zeitalter in Angriff genommen, und brütete Seite für Seite, wenn nicht gar Wort für Wort
Weitere Kostenlose Bücher