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Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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hat, heißt noch nicht, daß er keine eigene Meinung hat. DerJunge ist für Schmidt ein Rätsel. Es muß gewisse Intelligenztests für bewaffnete Leibwächter geben, ganz bestimmt ist er nicht ohne einen Intelligenztest zur New Yorker Kriminalpolizei gekommen – falls Carrie das richtig verstanden hat –, und Mike Mansour hätte Jason kaum engagiert, wenn er sich beim Test dumm angestellt hätte. Vielleicht liegt seine Eignung auf einem speziellen Gebiet, vielleicht beherrscht er Würgegriffe und schnelles Abtasten besonders gut: In Schmidts Augen ist er nicht halb so gescheit wie Carrie. Allerdings hat er eine unnatürlich, vielleicht übertrieben hohe Meinung von Carries Denkvermögen. Intelligenz plus Sensibilität und Intuition – eine unschlagbare Kombination.
    Am Ende gibt Schmidt auf. Vielleicht steckt hinter dem Rätsel Jason nichts weiter als der Klassenunterschied. Wenn man die Vokabel noch benutzen dürfte, würde er sagen, Jason zeige Verhalten und Einstellung eines typischen Dieners. Eines würde man allerdings doch gern wissen: nämlich, was er vom Sex hält. Carrie ist jeden Abend zu Hause, es sei denn, sie geht mit Schmidt aus, und nur ganz selten, wirklich äußerst selten kommt es vor, daß sie mit Jason im Kino sitzt. Wenn sie das sagt, glaubt ihr Schmidt, daß sie die Filme tatsächlich sieht, denn sie erzählt ihm davon und führt ihm mit schaurig-schönem Talent zur Nachahmung Geräusche vor: den Knall von Explosionen, das Pfeifen von Geschossen und den Lärm bei Auto-Verfolgungsjagden. Sie kommt auch nie besonders spät nach Hause. Ein Quickie auf dem Rücksitz oder vielleicht auf der Ladefläche eines Lieferwagens aus dem Autopark der Sicherheitstruppe, den er sich für den Abend ausgeliehen hat? Die eine oder andere Nummer in der Zeit zwischen dem Ende von Carries Kursen und ihrem Erscheinen zum Abendessen? Das war leicht, bevor das Wetter winterlich wurde. All die menschenleeren Dünenmit dem intensiven Seetanggeruch. Jetzt bleiben nur noch die wetterbeständige Rückbank des Autos, ein stundenweise gemietetes Motel, falls so etwas im Suffolk County überhaupt möglich ist, oder die Bude eines Kumpels. Von einer solchen Person ist Schmidt nichts bekannt. Nein, für ihn wäre es kein Problem, am Äquator ein Schlafzimmer mit Carrie gemeinsam zu benutzen – klimatisiert wird es ja wohl sein. Sie hat sich sowieso angewöhnt, zu Schmidt ins Bett zu kommen, obwohl er einen Fernseher für ihr Zimmer angeschafft hat, damit sie ihre Hockeyspiele sehen kann. Er hätte ihr auch sein Gerät überlassen können, da er es ohnehin fast nie anschaltet, aber er wollte ihr nicht das Gefühl geben, ihn zu berauben. Deshalb schlüpft sie ganz leise in sein Zimmer, spät, wenn er sein Buch zur Seite gelegt hat und fast schon am Einschlafen ist. Daß sie da ist, merkt er oft erst, wenn sie ihn umarmt und sich an ihn schmiegt. Anfangs hat er dagegen protestiert und gesagt, daß das gegen die Verabredung sei, aber sie erklärte ihm: Nein, mein Liebling, ist es nicht, wir behalten unsere Hosen an, laß mich doch, ich find’s schön. Davon abgesehen, behandelt er sie in jeder Hinsicht wie eine Tochter, eine, die er liebt und die ihn wiederliebt, aber seine Tochter ist sie ganz und gar nicht. Sie ist seine Hekate.
    Punkt ein Uhr. Mr. Blackman ist aufgehalten worden. Es kann sich nur noch um Minuten handeln. Er hat vom Auto aus angerufen. Mr. Schmidt wird sich deshalb nicht beklagen, vorausgesetzt, er bekommt seinen trockenen Martini mit einer Olive sofort. Nach und nach hat er die Annehmlichkeiten eines Ruhestands, der durch keinerlei Verpflichtungen belastet ist, zu schätzen gelernt. Wenn man vor dem Lunch einen Martini haben will, bitte sehr. Zwei Martinis? Warum denn nicht? Dasselbe gilt für Wartezeiten: Daß man auf jemanden warten muß, ist kein Grund zur Aufregung. Es ist Zeit, die man für sich hat,Zeit, den eigenen Gedanken ungestört nachzuhängen und die aktiveren Mitmenschen zu beobachten. In dieser Saison sind sie zur Mittagszeit bei O’Henry’s nicht allzu zahlreich. Von den schauerlichen Unheilsschwestern, den Witwen jener Autoren, die einst am East End gewohnt hatten, sind zwei gestorben; die Überlebenden der Clique haben sich in eine von Sommergästen und Touristen noch nicht entdeckte Kaschemme verzogen, oder sie sind bettlägerig oder so verarmt, daß sie die überhöhten Preise nicht mehr bezahlen können, oder aber sie sind nur deshalb nicht hier, weil dies nicht der Tag ist, an dem sie

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